Barbara Strobl: Barbara Strobl: Der Code des Lebens wird präsentiert von GHGA, dem Deutschen Humangenom-Phänomarchiv. Viel Spaß bei der heutigen Folge: Miescher der Entdecker der DNA.
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Friedrich Miescher war tatsächlich der Erste, der DNA, oder damals, er hat es als Nuklein bezeichnet, isoliert. Und das war quasi der Anfang der modernen Genforschung, Genetikforschung, DNA-Forschung.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Der Anfang der modernen Genetikforschung. Das klingt ja doch recht wichtig. Also geht es in unserer heutigen Folge um Friedrich Miescher. Wer war er? Wie hat er die DNA entdeckt? Und was hat das alles mit dem Schloss Hohentübingen zu tun? Das und vieles mehr beantworten wir in der heutigen Folge. Unser heutiger Interviewgast ist Dr. Klaus Möschel. Er ist Geschäftsführer des Interfakultären Instituts für Biochemie der Universität Tübingen. Zusätzlich gibt er Vorträge und Führungen über das Thema Biochemie für das Unimuseum. Und er ist promovierter Biochemiker. Dr. Möschel, wer war jetzt eigentlich Friedrich Miescher?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Friedrich Miescher war wirklich der Aller Allererste, der zum ersten Mal DNA oder das Nuklein isoliert hat, und auch schon vermutet hat, was es ist. Die Geschichte der Biochemie, gerade hier in Tübingen, hängt sehr stark natürlich auch mit Friedrich Miescher zusammen. Wir waren das quasi erste biochemische Institut, erste biochemische Forschung hier in Tübingen, auch später der allererste biochemische Studiengang. Also die Geschichte der Biochemie, die Wiege der Biochemie, liegt hier in Tübingen.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Auf die Biochemie kommen wir dann gleich noch einmal zu sprechen. Bleiben wir vorerst einmal bei Friedrich Miescher. Friedrich Miescher wurde 1844 in Basel geboren und starb 1895 in Davos. Die DNA entdeckte er 1869, also vor mehr als 150 Jahren. Dr. Möschel, könnten Sie ein bisschen vom Leben von Miescher erzählen?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Ja. Friedrich Miescher kommt ursprünglich aus Basel, hat in Basel auch Medizin studiert. Und Friedrich Miescher hatte sehr, war sehr beeinflusst, hat einen Vater gehabt, der auch Medizin studiert hat. Einen Onkel, der auch Mediziner war, der allerdings Friedrich Miescher auch schon, Wilhelm His hieß er, der Onkel, Friedrich Miescher die Spannung von Zellen mitgegeben hat. Er war sehr interessiert, hat sich im Laufe seines Lebens, seines jungen Lebens schon sehr für Zellen interessiert. Wollte wissen, wie sieht das aus, was gibt es da drin, und hat dann nach dem Medizinstudium auch beschlossen erstmal, er will nicht Mediziner werden, sondern er will in die Forschung. Friedrich Miescher hatte damals, auch vor allem über seinen Onkel His mitbekommen, dass hier in Tübingen, im Labor von Felix Hoppe-Seyler physiologische Chemie gelehrt wird, geforscht wird, und war sehr interessiert, in diese Richtung weiterzuarbeiten. Und sein Ziel war, einfach mehr über Zellen zu erfahren. Er wollte wissen, was ist in den Zellen, was ist im Zellkern, was kann ich da finden. Da hat er eben hier in Tübingen Potenzial gesehen, das Labor gesehen, und kam nach Tübingen dann. Hat hier zwei Jahre als Wissenschaftler gearbeitet. In eben der sehr kurzen Zeit hat er damals das Nuklein isoliert, ist dann später nach Leipzig gegangen, um dann zwei Jahre später noch mal wieder zurück nach Basel auf eine Professur zu gehen. Friedrich Miescher hat auch in Basel oder auch in Leipzig weiter am Nuklein gearbeitet. Aber auch an anderen Themen. Und er ist, leider relativ früh, ich glaube so im Alter von ungefähr 50 schon gestorben - an Schwindsucht damals.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Das Labor, in dem Friedrich Miescher seine Entdeckung gemacht hat, wurde also von Felix Hoppe-Seyler geleitet. Wer war Felix Hoppe-Seyler?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Er hatte mit Felix Hoppe-Seyler einen Chef, der sehr weit schon in der Physiologie war. Der quasi der Vater der Biochemie war, sehr viel Erfahrung, ihn auch sehr unterstützt hat. Und der auch sehr kritisch war, was dann später mit der Veröffentlichung der Arbeit noch lange Jahre, oder mehrere Jahre gedauert hat, weil er Friedrich Miescher seine Arbeit nicht wirklich geglaubt hat. Sagen wir es mal so.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Mittlerweile ist bereits mehrfach der Begriff Biochemie gefallen. Wir haben gehört, dass Tübingen die Wiege der Biochemie ist, und dass Felix Hoppe-Seyler der Vater der Biochemie ist. Was ist denn jetzt eigentlich genau Biochemie?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Ich sage immer, Biochemie ist die Chemie im Körper des Menschen. Der erste, der die Biochemie, oder physiologische Chemie, damals definiert hat, war Sigwart. Und er hat gesagt, Biochemie ist die Erklärung der Prozesse im Körper mit chemischen Grundlagen.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Wie kann man sich ein biochemisches Labor im 19. Jahrhundert vorstellen?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: OK. Also, wenn wir heute mal das Labor anschauen. Es war kalt, zugig, die Ausstattung für heutige Ansprüche war schlecht. Aber es gibt ein Zitat von Miescher, ein paar Jahre später in Basel, da schreibt er, er wünscht sich an die Fleischtöpfe nach Tübingen zurück. Das heißt, die Ausstattung für damalige Verhältnisse war schon sehr gut. Also im Labor konnte man zum Beispiel Elementaranalysen anfertigen, was dann sehr wichtig auch für seine Proben war. Er hatte relativ gute Arbeitsbedingungen, weil es kalt war. Wenn wir irgendwas aus dem Verbund isolieren, also das Nuklein, und haben hohe Temperaturen, dann gehen die Proben natürlich kaputt. Er hatte einen schönen Laborplatz.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Wir sprechen ja jetzt von einer Zeit, die vor über 150 Jahren war. Was hatte man denn damals für ein Verständnis von der menschlichen Biologie? Also, was wusste man zum Beispiel über Zellen oder Zellkerne?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Also es gab schon Mikroskope. Man konnte auch Zellen und Zellkerne in dem Mikroskop sehen. Und eigentlich wusste man gar nichts. Wie die Zellen kommunizieren, wie eben die Zellen die Information weitergeben. Die Biochemie, physiologische Chemie, die war erst quasi in der Entwicklung. Also es gab schon Naturforscher natürlich, die Erforschungen gemacht haben, ja. Es waren meistens Chemiker, Mediziner, der Forscher Felix Hoppe-Seyler hat zum ersten Mal systematisch biochemisch gearbeitet. Er hat das Hämoglobin erforscht. Hat festgestellt, dass Hämoglobin für den Sauerstofftransport im Blut zuständig ist. Auch er hat Hämoglobin auch den Namen gegeben, und das war quasi das Ursprungsmolekül, das Stück für Stück, also wie gesagt übers Hämoglobin, dann auch über Nuklein, die Biochemie oder damals noch physiologische Chemie als eigenständige Wissenschaft erst anerkannt wurden. Vorher hat man gedacht, mit der Chemie, mit der Medizin oder Chemie und Botanik, waren die zwei naturwissenschaftlichen Topics, kann man alles erklären. Aber die Biochemie hat sich Stück für Stück quasi dann immer emanzipiert.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Also, man wusste damals noch nicht so viel über die menschliche Biologie. Aber Miescher hatte einen Betreuer, der ein Vorreiter der Biochemie war. Wie kam es denn jetzt zu der eigentlichen Entdeckung des Nukleins? Es war ja gar nicht das Ziel von Miescher, die Erbinformation zu entdecken. Er war einfach an der chemischen Zusammensetzung der Zellen interessiert. Welche Analysen musste er hierfür durchführen?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Er hat Eiterzellen als Ausgangsmaterial für seine Forschungen gefunden. Ja, weil Eiterzellen ist sehr reich an weißen Blutzellen, und die wollte er untersuchen. Also er bekam von den Tübinger Kliniken jeden Morgen die Eiterbinden oder hat sie auch selber geholt. Hat eben dann das Eiter ausgewaschen, gereinigt und ja hat sich überlegt, wie bekomme ich die Proteine weg. Weil, die Proteine will er eben nicht untersuchen. Also damals gab es zwei bekannte Stoffgruppen. Das waren die Proteine und eben die Fette, und mehr war nicht. Friedrich Miescher war sich sicher, es gibt mehr. Er ist zum Metzger und hat sich Schweinemägen geholt. Und im Schweinemagen selber, innendrin in der Magenwand oder an der Magenwand gibts Pepsin. Pepsin ist eine Protease, und Pepsin verdaut eben die Proteine. Also, er hat quasi die Schweinemagen aufgeschnitten, sich das Pepsin rausgeschabt, hat Pepsin dann zu seiner Lösung gegeben. Also er hat quasi die Eiterzellen mit einer Pufferlösung ausgewaschen, hat Pepsin dazu gegeben, hat quasi das Protein verdaut. Und über verschiedene Reinigungsschritte und Alkoholfällung hat er einen weißen Niederschlag bekommen. Und der weiße Niederschlag, da war er sicher, war kein Protein mehr. Da er aus den Zellkernen kam, hat er schon vermutet, damals, es hat irgendwas mit der Entstehung der Zellen zu tun. Friedrich Miescher hat festgestellt, in eben diesen Proben, die er hat, gab es, wie in den Proteinen und in den Lipiden auch, Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Und er hat große Mengen an Phosphor gefunden. Phosphat. Und das gabs bis dahin noch nicht in organischem Material. Und das war für ihn diese neue Entdeckung. Er hat versucht, also das auch mit anderen Proben nachzumachen, vor allem später in Basel aus Lachssperma, hat er isoliert, und hat immer wieder zeigen können, es gibt große Mengen an Phosphor in diesem, was er gefunden hat, oder zum ersten Mal isoliert hat. Und hat, da es aus dem Kern war, Kern, aus dem Lateinischen Nukleus, die Gruppe Nukleine genannt. Also er hat nicht gesagt, ich habe einen Stoff entdeckt, sondern eine ganze Gruppe, weil er tatsächlich in verschiedenen Organismen oder verschiedenen Proben einfach das Nuklein gefunden hat. So. Und mit diesen Ergebnissen ging er dann auch später zurück nach Basel, hat es noch mal mehrfach reproduziert. Und hat dann an Felix Hoppe-Seyler, der die erste physiologisch-chemische Zeitschrift gegründet hat, zur Publikation quasi, es hingeschickt. Und Felix Hoppe-Seyler konnte es lange nicht glauben. Er hat dann die Proben nachgekocht, hat viel überprüft, zwei Jahre hats gedauert, bis eben die Publikation, heißt über die chemische Zusammensetzung der Eiterzellen von Friedrich Miescher, erschienen ist.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Miescher wusste jetzt also, dass es im Zellkern viel Phosphor gibt. Hat er vermutet, dass es sich dabei um die Erbinformation handeln könnte, oder wusste er das sogar?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Es hat lange lange gedauert, bis klar war, was Friedrich Miescher überhaupt entdeckt hatte. Also, seine Vermutung, dass es was mit dem Entstehen der Zellen zu tun hat, könnte schon in die Richtung gehen, dass es unsere Erbinformation enthält. Es hat 75 Jahre gedauert, bis nachgewiesen wurde, dass eben Friedrich Miescher damals die DNA, oder sozusagen unser Erbgut, zum ersten Mal isoliert hatte.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Übrigens, das erwähnte Phosphor, das Mischer in den Zellkernen entdeckt hat, das ist Teil der DNA-Stränge. Mittlerweile kennen wir ja diese typische Form der Doppelhelix, und diese zwei Stränge außerhalb, dort befindet sich das Phosphor. Die eigentliche Erbinformation, die sitzt allerdings auf den Basen. Die Entdeckung der Basen hat jedoch noch ein bisschen gedauert.
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Die Basen hat erst Albrecht Kossel 20, 30 Jahre nach Friedrich Miescher aufgedeckt. Und auch das war so ein Hinweis, das kann nie unsere Erbinformation sein. Die Proteine sind aus über 20 Aminosäuren aber nur aus vier Basen.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Zugegeben, ich find es ein bisschen kurios, dass eine der wichtigsten Entdeckungen der Biochemie in einem Schloss stattgefunden hat. Wie kam es dazu?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Wilhelm I hat, ich glaube 1816, das Schloss, es war zugig und auf dem Berg, sehr exponiert dem Wetter, und er wollte, ich glaube die sind damals nach Ludwigsburg in ein modernes Schloss gezogen und hat das Schloss dann der Uni geschenkt. Es wurden verschiedene Bereiche in das Schloss verlegt, unter anderem ein Labor, hing auch mit der Berufung von Gmelin. Gmelin wurde hier in Tübingen auf die erste chemische Professur berufen. Aber Gmelin wollte lieber, er hatte am Markt eine Apotheke, wollte lieber in den warmen Räumchen sein, weil im Schlosslabor so. Es war kalt, zugig, teilweise, wenn man die alten Geschichten liest, war das Holz für den Winter schon im Dezember weg. Weil man so viel heizen musste, haben vor allem Doktoranden, Studierende, Postdocs gearbeitet. Die Wissenschaftler wollten alle nicht ins Schloss. Erst Schlossberger oder dann final Felix Hoppe-Seyler haben aus diesen Schlossräumen quasi ein tolles Labor gemacht, das weltweit anerkannt war. Oder europaweit sagen wir mal so. Ja. Als dann der Nachfolger von Felix Hoppe-Seyler, er hat dann erreicht, dass in der Gmelinstraße, da wo heute der Kupferbau steht, ein physiologisches-chemisches Institut errichtet wurde. War ungefähr glaube 1890 oder so. Danach war das Schlosslabor leer. Es war von der Uni teilweise als Abstellraum benutzt, es wurden Büros eingebaut, aber es wurde nicht genutzt.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Das Schloss war also nicht besonders beliebt unter den Forschenden. Für was wird es heute genutzt?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Aus der Arbeitsgruppe Rammensee-Jung sind damals verschiedene Startup Firmen entstanden. Eine war CureVac. Und im Jahr 2015 hat eben CureVac einen europäischen Forschungspreis bekommen, war 100.000 Euro. Und diese 100.000 haben sie komplett dem Unimuseum gespendet, um in diesen Räumen, wo früher das Schlosslabor war, wo die Wiege der Biochemie ist, ein Museum ein Dauermuseum einzurichten. Aus Exponaten, die in den verschiedenen Instituten in den Kellern lagen, das Nuklein von Miescher, das Originalnuklein, was noch jetzt im Museum ist, wurde quasi eine Dauerausstellung gemacht. Und somit ist das Labor wieder zurück in einem Teil des Schlosses.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Für die Recherchen für diese Podcast Folge habe ich natürlich das Museum besucht. Dort kann man sich eine von Miescher selbstisolierte DNA anschauen. In diesem eher unscheinbaren Reagenzglas ist so ein bisschen Pulver, das mittlerweile leicht verfärbt ist. Kommen wir noch einmal zurück ins 19. Jahrhundert. Friedrich Miescher hatte nämlich zwei sehr spannende Zeitgenossen: und zwar Gregor Mendel und Charles Darwin. Diese beiden Männer haben ja ebenfalls im Bereich der Genetik wahnsinnige Fortschritte gemacht. Charles Darwin schrieb sein Buch über die Entstehung der Arten 1859. Also nur 10 Jahre, nachdem Friedrich Miescher die DNA entdeckte. Und Gregor Mendel veröffentlichte die Mendelschen Regeln der Vererbung auf Basis seiner Erbsenexperimente 1866. Also nur drei Jahre, bevor Miescher die DNA entdeckte. Ob Friedrich Miescher diese beiden Männer kannte, oder ob diese beiden Männer von Friedrich Miescher gewusst haben, ist heute sehr schwer zu sagen. Aber Dr. Möschel hat noch einmal betont, wie wichtig diese beiden Männer für die Naturwissenschaft damals waren.
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Sowohl Darwin als auch Mendel. Diese Werke, so 1859 Entstehung der Arten von Darwin, Mendel war ähnlich. Diese zwei Publikationen waren quasi endgültig die Emanzipation der Naturwissenschaften.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Es gibt noch einen weiteren spannenden Zeitgenossen von Friedrich Mischer. Und zwar Alfred Nobel. Alfred Nobel lebte von 1833 bis 1896. Er starb also nur ein Jahr nach Friedrich Miescher. Der von ihm gegründete Nobelpreis wurde das erste Mal 1901 verliehen. Also einige Jahre, nachdem Friedrich Miescher gestorben war. Ich habe mir also überlegt, wie wäre es denn gewesen, wenn es den Nobelpreis bereits gegeben hätte, zu Lebzeiten von Friedrich Miescher. Hätte er diesen damals bekommen oder wurde seine Forschung erst deutlich später anerkannt?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Postum gibt es, gab es anfangs nur ein, zwei Nobelpreise. Also gibt es nicht mehr Nobelpreise. Das heißt, Friedrich Miescher hat 75 Jahre nach seiner Entdeckung, war erst klar, was er entdeckt hat. Also die Tragweite dieser Entdeckung. Und 75 Jahre später gibt es keinen Nobelpreis mehr. Wenn es um DNA-Aufklärung geht. Man hört, wie gesagt Watson und Crick, aber zum Beispiel auch Linus Pauling hat für die erste Struktur einer Helix einen Nobelpreis bekommen. Fischer, der eben die Ribose, den Zucker gefunden hat, hat den Nobelpreis bekommen. Albrecht Kossel, der die Basen entdeckt hat, hat einen Nobelpreis bekommen. Sehr viele haben für diese Arbeit Nobelpreise bekommen. Wenn es postum vielleicht einen Nobelpreis gibt, weiß ich nicht, ob Friedrich Miescher ihn bekommen hätte. Zum Beispiel in der Arbeit von Watson und Crick, wo sie die Struktur der DNA aufklären, oder zeigen, die Aufklärung, wird Miescher überhaupt nicht erwähnt. Ich vergleiche es manchmal mit Einstein. Albert Einstein hat Anfang 1900 schon die Relativitätstheorie publiziert. Und erst durch jetzt das Zeigen der Schwarzen Löcher vor ein paar Jahren, hat man, konnte man quasi zeigen, das, was Einstein damals publiziert hat, können wir beweisen. Aber Einstein hat noch ein paar andere Sachen gemacht, hat damals trotzdem Nobelpreis bekommen, aber nicht für seine Relativitätstheorie, die erst jetzt bewiesen wurde. Also Friedrich Miescher wird teilweise auch immer wieder vergessen, wenn es um die DNA geht. Obwohl er der Allererste war.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Zu Mieschers Lebzeiten wurde also die Tragweite seiner Entdeckung noch nicht erkannt. Wie sieht man das heute, also was sind die Auswirkungen Mieschers Entdeckung auf die Medizin?
Dr. Möschel: Dr. Möschel: Mehr und mehr wurde rausgefunden, dass Änderungen von der DNA schon so Erbkrankheiten oder Krankheitsbilder auslösen. Ganz großes Thema, was danach angeschoben wurde, war eben das Human Genome Project oder Aufklärung vom Genom. Es ging los glaube ich, die Bäckerhefe, war das erste größere Organismus, wo man das Genom identifiziert hat. Dann die Maus, und Human Genome Project. Die letzten Jahre wurde ja sehr sehr viel gemacht. Aber erst durch die Erfindung von Techniken, wie jetzt aktuell CRISPR/Cas, aber vorher schon die Restriktionsenzyme, hat man auch gelernt, an der DNA oder am Nuklein oder am Erbmaterial zu arbeiten. Man konnte Stück für Stück, anfangs konnte man ganze DNA-Stücke austauschen, man konnte DNA-Stücke irgendwo rausschneiden, woanders reinmachen. Also sehr viel im Pflanzenreich wurde ja da auch getan. Gentechnik, immer ein großes Thema, und mehr und mehr geht das eben in die Medizin. Und da hilft die Technik, wie gesagt CRISPR/Cas, wo man einzelne DNAs direkt mutieren kann oder austauschen. Die große Zukunft dieser Technik ist sicherlich die Medizin. Diagnostische, therapeutische Medizin. Was jetzt auch zeigt, die Entwicklung von RNA-Impfstoffen. Auch das, wo RNA gespritzt wird und spezifische Immunabwehr, Immunreaktionen ausgelöst werden. Die Zukunft der DNA-Forschung steckt quasi immer noch in den Kinderschuhen. Sehr viel personalisierte Therapien, Gentherapien, und da passiert ganz ganz viel. Das spannende der ganzen Gentechnik, meiner Meinung, kommt noch. Auch mit den Pflanzen wird weiterhin auch immer viel diskutiert. Klar, die Erdbevölkerung wächst, die Anbaubedingungen ändern sich mit dem Klimawandel, und auch da kann die Gentechnik viele viele Wege finden. Da steckt erst die Zukunft drin, also sowohl in der Medizin, als auch in der Ernährung. Das sind die großen Themen denke ich, wo uns die Gentechnik in nächsten Jahrzehnten sehr viel weiterhelfen kann.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Die menschliche DNA wurde also in Tübingen das erste Mal isoliert. Es waren jedoch noch viele weitere Schritte nötig, um die Tragweite dieser Entdeckung tatsächlich zu erkennen. Die Forschung zu diesem Thema ist auch immer noch nicht abgeschlossen. Es werden immer noch viele weitere Themen erforscht. Falls ihr mehr zum Thema Human Genome Project erfahren möchtet, könnt ihr euch unsere dritte Folge anhören. Und mehr zum Thema Gentherapie gibt es in der 22. Folge. Habt ihr vorher schon einmal von Miescher gehört? Antwortet uns auf unserer Homepage www.ghga.de/de/codedeslebens. Dieser Podcast wurde präsentiert von GHGA. Wir bieten Infrastruktur, in welcher Genomdaten, sowie weitere medizinische Daten sicher gespeichert und kontrolliert zugänglich gemacht werden können. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und ist Teil der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur. Weitere Informationen findet ihr unter www.ghga.de. Vielen Dank fürs Zuhören und herzlichen Dank an unseren heutigen Gast Dr. Möschel. Bis zum nächsten Mal!