Barbara Strobl: Barbara Strobl: Der Code des Lebens wird präsentiert von GHGA, dem Deutschen Humangenom-Phänomarchiv. Viel Spaß bei der heutigen Folge: Die Autokorrektur der DNA. Was passiert, wenn die Rechtschreibprüfung der DNA nicht funktioniert? Stellen wir uns vor, wir haben eine lange Bauanleitung für ein Haus mit drei Milliarden Buchstaben. Diese Bauanleitung müssen wir abschreiben. Dabei entstehen natürlich Abschreibfehler. Außerdem gibt es auch äußere Einflüsse, die Fehler in die Anleitung einbauen können. Zum Beispiel, wenn die Katze einmal quer über die Tastatur spaziert. Dann stehen auf einmal andere Buchstaben da. Manche von den Fehlern sind aber auch nicht weiter schlimm, zum Beispiel wenn das Haus dann einfach eine andere Farbe bekommt. Andere wiederum sind schon schlimm, zum Beispiel, wenn auf einmal eine tragende Wand fehlt. Zum Glück haben wir eine Autokorrektur, und die findet die meisten Fehler. Aber was, wenn die Autokorrektur nicht richtig funktioniert? Dann akkumulieren sich die Fehler und vermutlich wird es zu Problemen kommen. Genauso eine Bauanleitung haben wir in uns drinnen: unsere DNA mit 3 Milliarden Basenbuchstaben. Bei der Zellteilung wird genau diese Bauanleitung abgeschrieben. Und auch da passieren manchmal Fehler. Auch bei uns gibt es externe Einflüsse, die Fehler verursachen können, wie zum Beispiel die Sonnenstrahlung. Aber zum Glück haben wir Gene, die das normalerweise wieder richten. Also haben wir sozusagen eine DNA-Autokorrektur. Wie das genau funktioniert, was passiert, wenn die DNA-Autokorrektur Fehler macht, und was das mit Elefanten zu tun hat, klären wir in dieser Folge. Unser heutiger Gast ist Universitätsprofessor Dr. Christian Kratz. Er ist Leiter der Klinik für pädiatrische Hämatologie und Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Zusätzlich ist er der Koordinator des Forschungsverbundes ADDRess. ADDRess steht für Abnormal DNA Damage Response, also gestörte DNA-Reparatur. Professor Kratz, warum haben wir überhaupt Schäden an unserer DNA?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Also letztlich ist es so, dass die Ursachen sehr vielfältig sind. Es ist so, dass diverse Dinge, die in der Natur vorkommen wie natürliche Strahlen, aber auch Metaboliten, die man auch über die Nahrung aufnimmt, dass derartige Faktoren dazu führen, dass unser Erbgut, also die DNA, permanent auch angegriffen wird. Ganz extrem ist es zum Beispiel auch, wenn man eine medizinische Behandlung bekommt. Zum Beispiel durch eine Strahlentherapie, das ist sehr extrem. Oder eine Chemotherapie, das ist auch ganz bewusst ja auch so, dass sowas passiert. Aber es gibt auch natürliche Faktoren, wie ich gerade erwähnte, die Erdstrahlung zum Beispiel oder auch metabolische Faktoren, die dazu führen, dass die DNA regelmäßig auch Defekte hat. Das passiert bei jedem Menschen. Und dadurch, dass die DNA so essentiell ist und so wichtig ist für das Leben, hat die DNA viele viele Mechanismen, oder jede Zelle hat viele Mechanismen, um diese Schäden auch wieder zu korrigieren.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Es heißt ja immer, die Haut vergisst nie, weil die UV-Strahlung die DNA unserer Haut schädigt. Warum ist das dann ein Problem, wenn es doch eigentlich DNA-Reparaturmechanismen gibt?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Letztlich ist alles eine Frage der Menge. Wenn man jetzt mal eine Stunde rausgeht bei schönem Wetter, ist es so, dass man vielleicht eine leichte Reizung hat der Haut. Und das, damit kann der Körper dann umgehen. Wenn man sich aber dann zwölf Stunden an Strand legt, in die Sonne, ist es einfach eine Menge an Belastung, die man selbst als Mensch mit einem funktionierenden Reparatursystem dann auch nicht, wo man einfach nicht klarkommt. Es ist einfach eine Frage der Balance zwischen Menge des schlechten Einflusses und der Möglichkeit, das wieder zu reparieren. Und es gibt aber Menschen, die müssen immer im Dunkeln bleiben, weil sie so empfindlich sind gegenüber allen möglichen Sonnenstrahlen, dass sie quasi gar nicht, dass sie quasi immer nur nachts aktiv sein können und tagsüber gar nicht rausgehen können. Und die würden selbst bei einem bewölkten Tag, würden sie quasi starke Schäden nehmen, wenn sie sich einfach draußen die Haut der Sonne exponieren würden.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Also - auch bei Leuten mit einem funktionierenden DNA-Reparatursystem werden nicht immer alle Fehler entdeckt. Aber warum sind unterschiedliche Reparaturmechanismen nötig?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Man kann sich vorstellen, es gibt auch alle möglichen verschiedenen Verletzungen des Erbguts. Also so kann, man redet zum Beispiel einmal von Doppelstrangbrüchen oder Einzelstrangbrüchen. Es gibt also ganz ganz verschiedene Verletzungen der DNA oder verschiedene sogenannte Läsionen. Und jede einzelne Läsion hat einen anderen Mechanismus der Reparatur. Da gibt es zum Beispiel Fehler, die durch Sonnenstrahlen ausgelöst werden. Das wird von einem Mechanismus repariert. Andere Schäden werden durch Strahlen ausgelöst. Hier werden, weitere Mechanismen kommen hier in Frage. Also ist ein extrem hochkomplexes Gebiet. Und die einzelnen, verschiedenen Defekte haben unterschiedliche Mechanismen. Und dadurch, dass es auch so hochrelevant ist, gibt es auch teilweise alternative Mechanismen, dass wenn ein Mechanismus nicht klappt, dass dann ein anderer gewählt wird. Also das ist ein sehr komplexes System.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Es gibt also viele unterschiedliche Mechanismen und wie wir gerade gehört haben, kann es auch sein, dass einzelne mal nicht klappen. Und genau darum geht es ja in unserer Folge. Um Fehler bei der DNA-Reparatur. Es kann also unterschiedliche Fehler geben. Sind diese Fehler dann auch unterschiedlich schlimm?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Da gibt es extrem große Unterschiede. Also man weiß, zum Beispiel bei Erwachsenen mit einem erhöhten Risiko für Krebs, da, wenn man zum Beispiel das Beispiel Angelina Jolie - alle kennen sie - bei dieser Dame liegt eine sogenannte Mutation in einem Gen mit dem Namen BRCA vor. Und bei dieser Erkrankung handelt es sich allerdings um eine Erkrankung, die vergleichsweise milde ist, dadurch dass nur ein Allel betroffen ist. Also durchaus eine schwere Erkrankung. Aber im Vergleich zu Erkrankungen, wo beide Allele betroffen sind, da ist es so, dass bereits bei kleinen Kindern ein ganz hohes Risiko auftritt, an Krebs zu erkranken. Und wenn dasselbe Gen betroffen ist, aber nur eine Kopie, ist es etwas, was dann erst später im Erwachsenalter eine Rolle spielt. Und, also so gibt es klinisch, wenn man das vergleicht, gibt es Erkrankungen, die extrem schwer sind bereits schon bei kleinen Kindern. Und andere sind eher, vergleichsweise milde, immer noch sehr schlimm, aber die erst im Erwachsenalter eine Rolle spielen. Und dann gibt es letztlich auch sogenannte DNA-Reparaturdefekte, die so schlimm sind, dass sie auch die komplette Entwicklung des Körpers beeinträchtigen. Und diese Veränderungen können dann auch, bei Betroffenen, auch zu schweren syndromalen Veränderungen führen. Also es gibt Kinder, die haben zum Beispiel deutlich zu kleine Köpfe, oder sind deutlich zu klein und haben andere multiple Probleme im ganzen Körper, neben einem erhöhten Risiko für Krebs. Und andere mildere Defekte können so sein, dass die Betroffenen, dass man denen das gar nicht ansieht. Und diese Patienten haben in Anführungsstrichen lediglich, was schlimm genug ist, ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen. Also da gibts ein extrem breites Spektrum von klinischen Erscheinungsbildern, die von teilweise gar nicht mit dem Leben vereinbar bis zu sehr milde und, dass man erst im höheren Alter von einer Krebserkrankung betroffen ist. Also sehr breites klinisches Erscheinungsbild.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Wie genau hängen DNA-Reparaturmechanismen mit Krebs zusammen? Also warum haben Leute mit einem DNA-Reparaturdefekt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Krebserkrankung?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Also letztlich ist es so, dass jede Krebserkrankung - ob das jetzt bei einem Kind eine Leukämie ist oder bei einem Großvater der Prostatakrebs, oder bei einer Dame der Brustkrebs, oder bei einer anderen Person der Darmkrebs - egal, welcher Krebs es ist, Krebs ist immer, und da gibts auch keine Ausnahme, Krebs ist immer eine Störung des Erbguts in der Krebszelle. Weil es ist ja so, dass das Wachstum bei Krebserkrankungen oder bei Tumoren oder Leukämien, hat man ja Zellen, die anders sich verhalten als gesunde Zellen. Und dieses sogenannte bösartige Verhalten dieser Zellen muss ja irgendwoher gesteuert werden. Und das wird vom Erbgut dieser Krebszellen gesteuert. Und dieses Erbgut ist verändert gegenüber dem Gesunden. Und wenn man jetzt einen Fehler hat, in der Reparatur von DNA-Defekten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man Zellen hat, die Veränderung erwerben, die dann wiederum zu einer Bösartigkeit dieser Zelle führen, deutlich erhöht. Dadurch, dass sie nicht repariert werden können. Und man kann es noch mal zusammenfassen: Krebs ist immer eine Schädigung des Erbguts der Krebszelle. Und wenn man eine erbliche Veranlagung hat, dass man Fehler nicht reparieren kann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich, dass solche Fehler entstehen deutlich erhöht.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Könnten Sie vielleicht ein, zwei Beispiele nennen von so einer erblich veranlagten gestörten DNA-Reparatur?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Wir beschäftigen uns mit, ganz ganz besonders mit einer Form einer defekten DNA-Reparatur, und das ist das sogenannte Li-Fraumeni-Syndrom. Beim Li-Fraumeni-Syndrom ist es so, dass ein Schlüsselprotein defekt ist mit dem Namen TP53. Und TP53 ist letztlich, man bezeichnet dieses Eiweiß in der Zelle auch als Wächter des Genoms, dass wenn jedes Mal, wenn eine Zelle einem schädlichen oder krebserregenden Einfluss ausgesetzt ist, wird dieses Protein oder dieses Eiweiß aktiviert. Und dann wird entschieden, die Zelle wird entweder repariert oder abgetötet. Und entweder man schafft es, diese Zelle aufrecht zu halten, ohne dass Krebs entsteht. Und wenn man, wenn die Zelle allerdings gedroht zu entarten, kommen andere Mechanismen und, so dass diese Zelle nicht entartet, sondern abstirbt. Und es gibt eine Erkrankung, das ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Erkrankungen, die zu Krebs prädisponieren. Bei dieser Erkrankung liegt dieses Eiweiß in einer defekten Form vor. Und diese Erkrankung hat den Namen Li-Fraumeni-Syndrom. Und wir wissen, dass Menschen, die mit einer solchen Mutation geboren werden, sehen komplett normal aus, also sie haben, sind an sich sind sie gesunde Menschen. Wir wissen nur, dass diese Menschen, im Vergleich zu Menschen, die kein Li-Fraumeni-Syndrom haben, ein massiv erhöhtes Risiko haben für Krebs. Und das liegt daran, dass dieser Wächter des Genoms, ich habe ja gerade die Funktion so grob geschildert, dass diese Funktion ausfällt. Und da haben diese Menschen ein so so stark drastisch erhöhtes Risiko. Und das ist einer der, in meinen Augen, relevantesten Defekte. Wenn man zum Beispiel guckt, wie oft ist das, kommt das vor, das ist etwa ein Prozent aller Krebserkrankungen. Bei einem Prozent aller Krebserkrankungen, sowohl im Kindesalter aber auch bei Erwachsenen etwa, liegt ein solches sogenanntes Li-Fraumeni-Syndrom vor. Und, das ist so eine Erkrankung, an der wir ganz ganz intensiv arbeiten. Dann, eine weitere Erkrankung, die ich gerade schon mal grob angesprochen habe, ist die sogenannte Fanconi-Anämie. Und die Fanconi-Anämie ist so relevant, weil sie denselben Signalweg betrifft, der auch bei Brustkrebs eine Rolle spielt. Ich hatte gerade das Stichwort Angelina Jolie und BRCA angesprochen. Und bei den Menschen mit Fanconi-Anämie ist es so, dass derselbe Signalweg betroffen ist. Und das ist ein hochkomplexer Signalweg, der dafür sorgt, dass Defekte der DNA auch immer wieder repariert werden. Und im Gegensatz zu den Erwachsenen mit einer BRCA-Mutation sind bei den Kindern mit einer Fanconi-Anämie beide Allele betroffen. Also das ist eine Erkrankung, die dann deutlich früher auftritt mit einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen das deutlich früher ist. Und die Patienten haben häufig auch andere, müssen nicht, aber häufig haben die andere Probleme wie Kleinwuchs oder Fehlbildungen etc. Es gibt, wenn man die alle zusammenzählt, gibt es wahrscheinlich 30, 40 verschiedene DNA-Reparaturdefekte, die teilweise extrem selten sind. Aber Fanconi-Anämie und Li-Fraumeni-Syndrom sind wahrscheinlich die wichtigsten und häufigsten. Wenn man da, wenn man also abgesehen von der Erkrankung, die auch bei Erwachsenen eine Rolle spielen, wie zum Beispiel BRCA oder auch Lynch-Syndrom.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Also: es gibt Krebserkrankungen, die man mit einer erblichen Prädisposition bekommen hat. Aber auch Krebserkrankungen, die man ohne einer solchen Prädisposition bekommen hat. Unterscheiden sich denn jetzt die Behandlungsmöglichkeiten von diesem Krebs, je nachdem ob es erblich bedingt war oder nicht?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Also letztlich Voraussetzung, dass sich die Behandlung ändert, ist natürlich die Diagnose. Und das ist genau ein Problem, dass, häufig wird eine Krebserkrankung gefunden, aber es wird gar nicht geguckt, ob ein erblicher Effekt zugrunde liegt. Und man kann ja nur eine Konsequenz, eine medizinische Konsequenz haben, wenn man auch die Diagnose stellt. Also das ist erstmal die Voraussetzung. Und jetzt ist es so, dass es mal Syndrome gibt, wo eine normale Krebsbehandlung nicht mit dem Leben vereinbar wäre. Und deswegen ist es auch so essentiell, dass man bei diesen Personen dann auch die Diagnose stellt. Also das sind insbesondere schwere DNA-Reparaturdefekte bei Kindern. Meist, also solche sogenannte biallelische oder rezessive Erkrankungen, wie zum Beispiel die Fanconi-Anämie, da ist es so, dass der DNA-Reparaturdefekt so stark ist, dass, wenn man ganz normale Therapie geben würde bei Krebserkrankung, dass die häufig dann auch gar nicht mit dem Leben vereinbar wären, weil, so eine Krebstherapie beinhaltet häufig massive Schädigung der DNA. Und bei normalen Krebspatienten ist es so, dass diese Therapie dann zum Tod der Krebszellen führt. Aber der normale Körper ist mitgenommen. Haare fallen aus etc. aber der erholt sich danach wieder. Und bei Patienten mit einem schweren DNA-Reparaturdefekt kann es sein, dass diese normale Erholung, die alle mitgenommenen Krebspatienten haben, dass diese, das der Patient so stark geschwächt ist, dass er sich nicht erholt. Und deswegen ist gerade bei diesen so wichtig, dass man dann auch die Diagnose vorher stellt, dass man dann auch andere Therapien wählt, die deutlich milder sind und nicht so stark den Körper angreifen. Das ist so das eine Extrembeispiel. Und das andere Beispiel sind Erkrankungen, wo wir einfach keine Unterschiede machen, wo man einfach ganz normal dieselbe Therapie gibt. Aber auch mit, dann auch wieder Veränderungen mit Ausnahmen, dass man zum Beispiel sagt, zum Beispiel beim Li-Fraumeni-Syndrom, bei einer Dame mit Brustkrebs. Beim Li-Fraumeni-Syndrom würde man zum Beispiel, wenn es die Option gibt, einer Brustentfernung versus eine Bestrahlung, wenn man, aus onkologischer Sicht würde man eher eine Entfernung machen, weil es einfach weniger DNA-Schäden machen würde. Und bei Menschen ohne Li-Fraumeni-Syndrom würde man möglicherweise auch eine Bestrahlung anbieten, um die Brust dann auch zu erhalten. Also es gibt da auch Unterschiede. Aber es gibt Erkrankungen, wo es auf Leben und Tod ankommt, ob man, eine normale Therapie würde man gar nicht vertragen, durch den DNA-Reparaturdefekt.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Wenn man jetzt tatsächlich die Diagnose vorher bekommen hat, also man weiß, man hat das Li-Fraumeni-Syndrom, aber man hat noch keinen Krebs bis jetzt bekommen. Gibt es dann noch Möglichkeiten, eine Krebserkrankung zu verhindern?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Also die Konsequenz ist, dass man ein ganz engmaschiges Früherkennungsprogramm anbietet. Und dieses Früherkennungsprogramm hat das Ziel, dass man, wenn Krebserkrankungen auftreten, dass man die dann so früh erkennt, dass die Betroffenen auch, dann auch noch eine Chance haben. Also wenn zum Beispiel ein Sarkom ganz klein ist, oder ein Hirntumor, hat man eine höhere Chance, dass der Betroffene oder die Betroffene dann geheilt werden, als wenn man wartet, bis es jetzt Metastasen hat, oder deutlich größer geworden ist. Diese sogenannte Früherkennung, da ist ein wichtiges Element das MRT, und wir bieten diesen Betroffenen an, einmal im Jahr an, dass man ein, vom kompletten Körper, von Kopf bis Fuß bis zu den Zehen und Händen eingeschlossen, ein MRT durchführt, um kleine Tumoren auch sehr sehr früh zu erkennen. Wenn die Betroffenen eine Krebserkrankung haben, ist die Therapie aktuell noch relativ identisch mit der, wenn man das vergleicht mit den Therapien bei Betroffenen ohne Li-Fraumeni-Syndrom. Aber da ist es so, dass wir wissen, dass diese Patienten häufig eine schlechtere Prognose haben. Und wir hoffen, dass wir irgendwann auch besondere Therapien anbieten können, für die Betroffenen. Und eine weitere Sache, an der wir gerade intensiv arbeiten, ist die Frage, ob wir beim Li-Fraumeni-Syndrom sogar auch verhindern können, dass eine Krebserkrankung auftritt. Und da planen wir gerade international eine randomisierte Studie, wo wir herausfinden wollen, ob gewisse Medikamente das Risiko für eine Krebserkrankung bei Betroffenen auch reduzieren kann.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Bei den Recherchen zur DNA-Reparatur stoßt man immer wieder auf das Thema Elefanten. Könnten Sie uns erklären, was Elefanten mit diesem Thema zu tun haben?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Also es ist so, dass, Elefanten bekommen extrem wenig Krebs. Und wir wissen inzwischen, dass es so ist, dass Elefanten deutlich mehr p53 produzieren als die Menschen. Der Mensch hat zwei Kopien von p53, die Elefanten haben 18 Kopien. Also deutlich mehr. Und es gibt Forscher in den USA, die arbeiten daran, dass, dass man das p53 von Elefanten letztlich als Medikament verwendet, um wieder die, letztlich um die Funktion von p53 wieder herzustellen. Aber das ist etwas, was sehr früh ist in der Forschung. Und das sind alles so extrem lange Phasen, weite Wege, bis so etwas dann auch irgendwann in der Klinik ankommt. Und ohne Garantie, dass das überhaupt irgendwann mal funktioniert. Man muss sich klar machen, dass ja der Defekt in jeder einzelnen Zelle vorkommt. Und es ist gar nicht leicht, ein Medikament dann überall hinzubringen, so zu verpacken, dass es überall auch ankommt. Finden ja auch in der Zelle wieder, wenn da fremde Stoffe reinkommen, auch Prozesse statt, um es wieder abzubauen. Also das sind Wege, die sind, da sind wir extrem weit weg von einem, von einem Ziel, aber es wird dran gearbeitet.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Bei den Recherchen bin ich auf ein Gleichnis gestoßen. Und zwar, es ist wie alkoholisiert Autofahren. Also man hat einfach ein höheres Risiko, dass ein Unfall passiert. Aber es muss nicht unbedingt einer passieren. Wie sehen Sie das? Würden Sie sagen, das ist ein passendes Gleichnis für gestörte DNA-Reparaturen?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Genau. Also letztlich in gewisser Weise passt es. Also letztlich ist es so, man hat ein Syndrom, welches keine Erkrankung ist. Weil wenn man mit einem Li-Fraumeni-Syndrom geboren ist, ist man ja trotzdem ein gesunder Mensch, aber mit einem hohen Risiko. Und selbst wenn man ein hohes Risiko hat, heißt es nicht, dass etwas passiert. Also es kann ja auch sein, es gibt auch Menschen, die ein extrem hohes Risiko haben, aber es passiert trotzdem nichts bis ins höhere Alter. Und andere haben ein niedriges Risiko, und es passiert trotzdem was. Ja, man kann das auch zum Beispiel mit Bergsteigen vergleichen, also der eine Bergsteiger wählt die Steilwand und der andere nimmt den Wanderweg. Und der, der die Steilwand nimmt, hat ein hohes Risiko und der, den Wanderweg wählt hat ein niedriges Risiko. Aber trotzdem kann derjenige, der die Steilwand wählt, oben sicher ankommen und der andere hat einen Unfall. Also letztlich, das Risiko sagt jetzt nicht für den Einzelnen aus, ob etwas passiert oder nicht. Aber man hat halt ein höheres Risiko.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Bis jetzt haben wir immer von angeborenen Fehlern in der DNA-Reparatur gesprochen. Kann man denn Fehler in den relevanten Genen auch erst im Laufe des Lebens erwerben?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Also diese Veränderungen, die wir bei unseren Patienten, die vererbt sind, sind auch Veränderungen, die bekannterweise auch erworben werden, aber dann häufig bei Krebserkrankung auch gesehen werden. Also zum Beispiel, ich komme immer mal wieder auf dieses Beispiel von diesen BRCA-Mutationen zurück. Wir wissen auch zum Beispiel, dass Frauen, die eine BRCA-Mutation haben, dass die, wenn die einen Tumor bekommen, also quasi eine weitere BRCA-Mutation erwerben, so dass dann im Tumor beide Allele ausgefallen sind. Also es gibt, also diese Defekte können, spielen auch eine große Rolle bei Krebserkrankungen, die nicht erblich sind. Zum Beispiel, auch noch zum Beispiel Li-Fraumeni-Syndrom. Hier ist es so, dass p53 als Mutation vererbt wird, so dass die Betroffenen ein defektes p53 Allel tragen. Wir wissen, dass dasselbe Protein TP53 bei etwa der Hälfte aller Krebserkrankungen auch mutiert ist, das ist dann aber dann erworben. Also die Frage kann man mit Ja beantworten. DNA-Reparaturdefekte können auch erworben werden. Und wir finden das dann insbesondere bei, in den Krebserkrankungen selber. Das sind also Mechanismen, die die Krebszelle ausnutzt, damit die Zelle nicht repariert wird, sondern weiter entarten kann.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Zum Abschluss würde ich gerne noch fragen, wie Sie denken, dass sich die Forschung zur DNA-Reparatur in den kommenden zehn Jahren weiterentwickeln wird?
Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Univ.-Prof. Dr. Christian Kratz: Also ich denke, ich denke wir werden weitere Defekte kennen, immer mehr auch über die einzelnen Mechanismen lernen. Dann werden wir möglicherweise noch bessere Verfahren haben, um zu erkennen, ob in den betroffenen Menschen eine Krebserkrankung entsteht. Es ist das Thema Liquid Biopsy, also, dass man quasi über einen Bluttest nachweisen kann, ob eine Krebsentstehung im Gange ist. Das sind Dinge, da wird international sehr stark dran gearbeitet. Also das wird dann dazu hoffentlich führen, dass wir, wenn etwas entsteht, das sehr früh erkannt wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir später, wenn eine Krebserkrankung auftritt, noch besser in der Lage sind, spezifischer zu behandeln. Heutzutage werden häufig noch sehr breite und toxische, giftige Krebsmedikamente angewandt, die wie ein Hammer auf den Körper letztlich einschlagen. Und wir, ich denke in Zukunft wird es immer differenzierter, immer gezielter auf die Krebserkrankung, so dass die Nebenwirkungen reduziert werden. Ich denke, dass wir psychosozial mehr wissen über die Bedürfnisse der Patienten, denen auch gerechter werden. Und, dass die Wege zur Diagnose auch kürzer sind. Dass das Wissen höher ist, dass die Patienten schneller erkannt werden. Also ich denke, das wird sich auf diversen Gebieten, wird sich etwas positiv entwickeln.
Barbara Strobl: Barbara Strobl: Also. Fassen wir das Thema noch einmal zusammen: Es gibt viele unterschiedliche Ursachen, warum unsere DNA regelmäßig Schäden bekommt. Nachdem eine intakte DNA aber so wichtig ist, hat unser Körper gleich mehrere unterschiedliche DNA-Reparaturmechanismen. Bei manchen Menschen gibt es jedoch angeborene Fehler bei genau diesen Reparaturmechanismen. Die Auswirkungen davon können sehr unterschiedlich sein. Es kann sein, dass ein Defekt nicht mit dem Leben vereinbar ist. Und es kann sein, dass man ein erhöhtes Krebsrisiko bekommt, aber prinzipiell gesund ist. Ein wichtiges Beispiel ist das Li-Fraumeni-Syndrom. Bei diesem Syndrom gibt es einen Fehler im Gen TP53. Das wird auch Wächter des Genoms genannt. Dieses Gen, bzw. das resultierende Protein, kümmert sich darum, dass Zellen entweder repariert oder sonst abgetötet werden. Wenn man in genau diesem TP53-Gen einen Defekt hat, dann hat man ein erhöhtes Risiko für Krebs. In der Forschung tut sich jedoch einiges. So gibt es zum Beispiel die Hoffnung, dass es in Zukunft eine frühere Diagnose einer Krebserkrankung gibt. Eine frühere Diagnose kann zum Beispiel durch eine Liquid Biopsy erfolgen. Zu diesem Thema haben wir eine eigene Podcast Folge. Und zwar Podcast Nummer 15: Liquid Biopsy -Tumoren auf der Spur. Eine weitere Hoffnung für die Zukunft ist, dass man Krebserkrankungen deutlich gezielter behandeln kann. Dr. Kratz hat auch das BRCA-Gen erwähnt. Auch dazu haben wir eine eigene Podcast Folge. Und zwar die siebte Folge mit dem Titel: Der Angelina Jolie Effekt für Brustkrebsvorsorge. Wir freuen uns immer über Feedback zu unserem Podcast. Schreibt uns einfach auf unserer Homepage www.ghga.de/de/codedeslebens. Dieser Podcast wurde präsentiert von GHGA. Wir bieten Infrastruktur, in welcher Genomdaten sowie weitere medizinische Daten sicher gespeichert und kontrolliert zugänglich gemacht werden können. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und ist Teil der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur. Weitere Informationen findet ihr unter www.ghga.de. Vielen Dank fürs Zuhören und herzlichen Dank an unseren heutigen Gast Professor Dr. Kratz. Bis zum nächsten Mal!