Der Code des Lebens

Der Code des Lebens

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Speaker #1: Barbara Strobl] Der Code des Lebens wird präsentiert von GHGA, - dem Deutschen Humangenom-Phenom Archiv. Viel Spaß bei der heutigen Folge: Den Tätern auf der Spur - Forensische Genetik. Man kennt es aus den Fernsehserien. Ein Täter hinterlässt winzige Mengen an DNA-Spuren am Tatort und schon weiß man, wer der oder die Schuldige ist. Aber wie funktioniert das wirklich? Was verrät uns eine DNA-Spur, oder übrigens auch eine RNA-Spur, und was nicht? Noch ein kurzer Hinweis: Der Inhalt dieser Folge ist etwas anders als unsere bisherigen Folgen, daher, - es werden schwerste Gewaltverbrechen teils detailliert besprochen. Mehr zum heutigen Thema erfahren wir von unserem heutigen Gast Professor Dr. Cornelius Courts. Könnten Sie sich bitte selber vorstellen?

Speaker #2: Cornelius Courts] Ja, mein Name ist Cornelius Courts. Ich bin Professor für Forensische Molekulargenetik an der Uni Köln und zugleich leite ich die Abteilung für Forensische Molekulargenetik am Institut für Rechtsmedizin des Uniklinikums Köln.

Speaker #1: Barbara Strobl] Zu Beginn gleich eine Frage die sich sicher viele schon einmal überlegt haben: Inwiefern ist ihre alltägliche Arbeit so wie in den Fernsehserien?

Speaker #2: Cornelius Courts] Ich muss immer dazu sagen, - ich gucke mir diese Serien nicht an. Also alles was ich dazu sage ist immer aus zweiter Hand, weil ich diese Fragen gestellt bekomme, - meistens dann auch mit einer Schilderung einer Szene und dann der Frage: „Das ist doch so wie?“, oder „Ihr macht das doch auch so“, oder „Macht Ihr das auch so?“, und dergleichen. Und was ich aus diesen Fragen jetzt indirekt entnommen habe ist, dass natürlich eine grob vereinfachte Darstellung da immer erfolgt, dass diese Labore, wo da gearbeitet wird, sehr viel besser ausgestattet sind, - also mit allen möglichen Maschinen und modernsten Einrichtungsgegenständen als das in der Wirklichkeit der Fall ist. Also man kann zum Teil einfach Methoden nicht durchführen, weil man schlicht und ergreifend die Maschinen und die Ausstattungsgegenstände dafür nicht hat. Natürlich ist das Personal, - sind immer Universalisten. Die können also alles: Die sind forensische Genetiker, Toxikologen, Anthropologen, Bildgebungsspezialisten und sonst was. - Sind auch an den Tatorten, auch das ist natürlich Quatsch, wo sie dann also mit irgendwelchen nicht kontaminationsvermeidenden Klamotten markige Sprüche machen. Und natürlich werden Methoden [unverständlich] on the fly mal eben erfunden, dann nicht validiert, nicht verifiziert, nicht akkreditiert, - benutzt und dann soll das also bei Gericht anerkannt werden. Das ist natürlich alles grober Unfug. Wir sind totale Spezialisten. Ich würde keine forensisch-toxikologische Analyse machen können und wollen. Und die wirklichen Methoden, also die echten spannende Methoden aus der Realität, - forensische RNA-Analyse, Methylierungsanalyse, Proteomik, DNA-Transfer, - das kommt, soweit ich das weiß, in diesen Serien überhaupt nicht vor. Das heißt also da werden irgendwelche Klischees bedient und der forensische Wissenschaftler so als smarter allwissender „Supertyp“ bezeichnet, - das stimmt natürlich auch. Aber ich meine, der Punkt ist, es gibt einen CSI-Effekt, es gibt Forschung zu dem CSI-Effekt, und auch zu der Auswirkung dieser populärmedialen Darstellung von uns, und der ist in jedem Fall nicht günstig und man versucht dann dagegen an zu wirken, indem man sagt, dass es nicht so ist wie im Fernsehen aber auch deswegen trotzdem noch nicht langweilig.

Speaker #1: Barbara Strobl] Wenn es also nicht wie im Fernsehen funktioniert, dann wissen die meisten von uns vermutlich nicht viel zu diesem Thema. Fangen wir also mal von vorne an. Was ist denn eigentlich Forensik und was ist forensische Genetik?

Speaker #2: Cornelius Courts] Wenn wir von forensischen Wissenschaften sprechen, dann sind das also alle wissenschaftlichen Disziplinen und Teildisziplinen die angewendet werden können um in strafrechtlichen oder rechtlichen relevanten Ermittlungen zur Aufklärung beizutragen und das kann aus einer beliebigen Ecke kommen, das kann beliebig komplex sein, auch beliebig viele Disziplinen umfassen. Also bei einem Tötungsdelikt interessieren einen die Reifenspuren, die das Fahrzeug des Täters hinterlassen hat, genauso wie der Zigarettenstummel, genauso wie das KO-Mittel das er vielleicht dem Opfer gegeben hat, genauso wie die Erde die an den Schuhen von dem Opfer ist, genauso wie die Fingerabdrücke die hinterlassen worden sind. - Vielleicht hat er vorher noch eine Nachricht geschrieben, dann sind die IT-Forensiker dran oder irgendwas Handschriftliches, sind die Schriftkundler dran. Also es gibt unglaublich viele Teildisziplinen, die forensischen Belang haben, die forensisch auch spezialisiert eingesetzt werden können und das sind alles forensische Wissenschaften. Und die forensische Molekularbiologie, also mein Feld, ist ebenfalls eine davon, die natürlich unter dem großen Überbegriff Biologie, - forensische Biologie rangiert und alle diese Disziplinen können mehr oder weniger zusammenwirken und gerade durch diese transdisziplinäre Zusammenwirkung entsteht also eine besondere Stärke die sich insbesondere an Instituten für Rechtsmedizin bemerkbar macht, weil wir hier in diesen Häusern ja fast immer mehrere Disziplinen vereint haben unter einem Dach. Wir haben die Rechtsmediziner, die forensischen Morphologen sozusagen, die Toxikologen, Alkohologen und uns. Und es kommt also regelmäßig vor, dass wir wirklich großen Synergieeffekt haben, wenn wir Fälle fachübergreifend bearbeiten können und deswegen sind die Institute für Rechtsmedizin auch so wichtig.

Speaker #1: Barbara Strobl] In der forensischen Genetik gibt es unterschiedliche Ansätze wie man die DNA oder eben auch die RNA nutzen kann, um einem Täter auf die Spur zu kommen. Ein besonders wichtiger Ansatz ist das sogenannte DNA-Profil. Was ist das genau?

Speaker #2: Cornelius Courts] Im forensisch-biologischen Kontext versteht man unter dem DNA Profil im Prinzip einfach nur eine Tabelle. Also da haben wir eine Liste, eine Auflistung von DNA Bereichen. Wir nennen das Systeme, die untersucht wurden sind, - also ein Profil besteht immer aus mehreren davon. Die, die man standardmäßig einsetzt sind so meistens 16 autosomale DNA-Systeme. Die werden auch als STR-Systeme, Short Tandem Repeats Systeme, bezeichnet und dann in der zweiten Spalte der Tabelle, sind dann die Merkmale, die eine bestimmte Person in diesen Systemen hat oder die eine bestimmte Person in diesen Systemen ausprägt aufgelistet. Das sind dann einfache Zahlen, also 16.3 oder 16 oder 15 oder 14, die in der Kombination über diese 16 Systeme dann einmalig auf der ganzen Welt sind. Das können wir mit extremer Sicherheit sagen, dass diese Kombination, außer bei eineiigen Zwillingen, wirklich nur einmal vorkommen können. Das heißt also ein solches Profil, dass man sehr gut „verformeln“ kann, sehr gut EDV-mäßig erfassen kann, ist dann eine einmalige Merkmalskombination für einen Menschen, die man sehr gut benutzen kann um beispielsweise die Beteiligung dieser Person an irgendwelchen Aktivitäten aber auch an Verwandtschaftsverhältnissen zu prüfen.

Speaker #1: Barbara Strobl] Für ein DNA-Profil untersucht man also nicht die gesamte DNA, sondern nur gewisse DNA Bereiche. Diese sogenannten STR-Systeme. Die gesamte DNA zu untersuchen wäre viel aufwendiger und viel kostspieliger als nur einzelne Bereiche anzusehen. Diese STR-Systeme sind übrigens im nicht-codierenden Bereich der DNA, - also sind keine Gene. Es hat sich aber gezeigt, dass diese wenigen Abschnitte der DNA bereits individuell genug sind, um sie eindeutig einer Person zuordnen zu können. Um ein solches DNA Profil erstellen zu können, benötigt man biologisches Material. In den letzten Jahren wurde die Technologie immer besser, - also man braucht heutzutage deutlich weniger Material als früher. Wie viel von diesem biologischen Material benötigt man heutzutage?

Speaker #2: Cornelius Courts] Es gibt Speziallabore, die das aus einer einzelnen Zelle können, also das Minimum. Wenn Sie so wollen, - in einer Zelle sind ungefähr 6 Pikogramm DNA, also unvorstellbar kleine Mengen. Aber auch nicht-spezialisierte Labore können aus sehr, sehr geringen Mengen DNA- Profile relativ zuverlässig herstellen. Zum Beispiel 100 Pikogramm ist eine Menge, da sollte eigentlich jedes gut-funktionierende forensisch-molekularbiologische Labor ein DNA-Profil rausbekommen. Wir z.B. sind spezialisiert auf Einzelhautschuppen. Das heißt wir sammeln unter mikroskopischer Vergrößerung von Spurensicherungsfolien einzelne Hautschuppen ab, die so einer Tatbeteiligten Personen gehört haben, von solchen Klebebändern und untersuchen die einzelnen Hautschuppen dann im Labor. Das sind ganz geringe Mengen, eben in diesem Bereich, auch mal weniger, 50 Pikogramm oder so, und das kann vollkommen ausreichend sein für so ein Profil. Das sieht man mit dem bloßen Auge nicht. Seit das so ist, - seit wir diese geringen Mengen bearbeiten können, sind also auch die sogenannten Hautabriebspuren, die man immer hinterlässt im Prinzip, wenn man mit ungeschützter Haut einen Gegenstand berührt oder auch eine andere Person, sehr, sehr häufig Gegenstand unserer Analyse.

Speaker #1: Barbara Strobl] Eine der Haupteinschränkungen beim DNA-Profil ist, dass man einen Vergleich benötigt. Dafür muss man das Profil z.B. mit einer DNA-Datenbank abgleichen oder man macht eine sogenannte Reihenuntersuchung. Könnten Sie uns das etwas genauer erklären?

Speaker #2: Cornelius Courts] Also Sie haben erstmal recht. Man braucht immer eine Vergleichsgrundlage damit ein DNA- Profil irgendwie sinnvoll eingesetzt werden kann. Ansonsten ist das eben wirklich nur diese Liste mit Merkmalen die einem, - das ist auch in Deutschland gesetzlich so geregelt, gar keine weiteren Informationen gibt. Also man kann aus diesen Merkmalen keine weiteren Informationen über die Personen ableiten: Sei es zum Äußeren, sei zu irgendwelchen krankhaften Eigenschaften oder sonst irgendetwas. Um die also nutzbringend zu verwenden braucht man eine Vergleichsgrundlage. Das kann die Datenbank sein, die sie erwähnt haben. Das haben alle westlichen Industrieländer, - solche kriminalistischen Datenbanken unterschiedlichen Umfangs mit unterschiedlichen Regeln, die aber gemein haben, dass da drin sehr, sehr viele, hunderttausende Millionen, je nachdem, - Profile gespeichert sind und wenn man in einem rechtlich relevanten Zusammenhang, bei einem Delikt z.B. ein DNA-Profil erhebt, kann man das gegen alle bereits in einer solchen Datenbank befindlichen Profile gegenprüfen. Und bei Treffern hat man natürlich dann, also bei einer vollständigen Übereinstimmung, - hat man dann natürlich einen Hinweis auf die Person oder die andere Spur, mit der ein Treffer erzeugt [wurde], - entweder zu einem anderen Tatgeschehen oder sogar zu einer Person. Bei den Reihenuntersuchungen ist es so, - die sind in Deutschland laut StPO Strafprozessordnung zulässig. Da kann man, wenn es eine möglichst ausgewählte plausible Tätergruppe gibt, - so der klassische Fall wäre irgendwie Vergewaltigung im kleinen Dorf, wo 200 Männer wohnen oder so und wo es sehr, sehr plausibel ist, dass einer der Dorfbewohner der Täter ist, kann man also alle Dorfbewohner fragen, oder alle infrage kommenden Leute aus dieser Gruppe fragen, ob die den Profil abgeben. Und wenn dann da ein Treffer dabei ist, hat man natürlich den Tatverdächtigen gefunden. Wenn jetzt einer von den 200 sich weigert, kann man diese Tatsache natürlich auch nutzen, um sich diese Person genauer anzugucken, also dann eben seine Ermittlungshandlung entsprechend zu priorisieren. Bei Reihenuntersuchungen darf man in Deutschland auch familiäre Suchen machen. Das heißt, da kann man dann auch in der Datenbank nach Treffern suchen, die nicht einen direkten Treffer, sondern einen „Verwandten-Treffer“ erzeugen würden. Es gibt aber auch durchaus, und das ist auch häufig der Fall, die Situation, dass man von vornherein einen Tatverdächtigen hat, oder dass relativ bald nach der Tat ein Tatverdächtiger ermittelt werden kann, und dann nimmt man dem einfach eine Speichelprobe ab und erzeugt ein Vergleichsprofil und hat dann dieses Profil als Vergleichsgrundlage.

Speaker #1: Barbara Strobl] Für das DNA-Profil benötigt man also einen Vergleich, der manchmal einfach nicht vorhanden ist. Deshalb gibt es einen weiteren Ansatz, wie man DNA für die Forensik verwenden kann: Die DNA-Phänotypisierung. Was ist das genau?

Speaker #2: Cornelius Courts] Es kommt immer mal wieder vor, dass bei Straftaten kein Täter ermittelt werden kann, kein Treffer in der Datenbank resultiert, keine, - weiß ich nicht Videoaufzeichnung oder sonstige Hinweise auf den Täter existieren, und wenn man nur das DNA-Profil hat, im Prinzip dann nicht mehr weiter gezielt ermitteln kann. Aber in biologischen Materialien ist sehr, sehr viel Information enthalten. Unter anderem eben zum Aussehen und zum Alter auch. Und es ist eben seit 2019 in Deutschland möglich drei äußere Merkmale: Haarfarbe, Hautfarbe und Augenfarbe, sowie das biologische Alter aus Information, die in der DNA enthalten, ist zu erheben. Es ginge noch ein weiteres Merkmal, das leider und aus ausschließlich politischen Gründen, nicht aus wissenschaftlich Gründen, im Moment noch nicht erlaubt ist: Das ist die sogenannte biogeographische Herkunft. Andere Länder, - die Niederlande, die Schweiz und so weiter, - machen das. Das ist im Prinzip so die kontinentale Herkunft eines Menschen, also mit anderen Worten so die biologisch-genetischen Spuren von dessen Migrationsgeschichte. Also man kann mit einer sehr, sehr guten Sicherheit die ungefähre Region aus der eine Person stammt vorhersagen, aus der DNA. Und das ist deswegen hilfreich und förderlich, weil es erstens mal die anderen Merkmale kontextualisiert, - wenn man also weiß aus welcher Region die Person mit einer großen Wahrscheinlichkeit stammt, - dann ergeben die anderen Merkmale deutlich mehr Sinn, oder man könnte auf einen Widerspruch hingewiesen werden: Wenn man südostasiatische Herkunft hätte und ganz hellblonde Haare, muss man sich fragen, wie das kommt oder wie man das zu beurteilen hat. Und was wir gerade erfahren haben, - wir haben das hier in unserem Institut veröffentlicht, so eine Studie, die uns gezeigt hat, dass ein weiteres Merkmal, dass man ja erheben darf, - nämlich das biologische Alter, stark abhängt oder bzw. das Ergebnis, dass man mit den Methoden die wir anwenden, - hängt stark von der geografischen Herkunft ab. Also wir müssten eigentlich den Algorithmus, den wir für die Alterseinschätzung anwenden, auf die Herkunft abstimmen. Wenn wir die aber nicht kennen, laufen wir Gefahr, einen größeren Fehler zu erzeugen mit unserer Altersmethode als notwendig wäre. Also es gibt diverse Gründe, natürlich abgesehen auch von dem Hauptgrund, dass die Kenntnis dieses Merkmals aus ermittlerscher Sicht extrem hilfreich wäre, - das sagt einem auch jeder Ermittler den man fragt, dieses Merkmal auch möglichst schnell in die deutsche Gesetzgebung einzuführen.

Speaker #1: Barbara Strobl] Diese äußerlichen Merkmale aus der DNA herauszulesen ist übrigens deutlich komplizierter als man sich so denken könnte. Jedes dieser Merkmale wird nämlich nicht nur durch ein einzelnes Gen bestimmt, sondern durch viele. Tatsächlich werden bei diesen Analysen auch nicht gleich die ganzen Gene ausgelesen, sondern nur einzelne Abschnitte, - einzelne Basenpaare auf der DNA, die mit diesen Eigenschaften korrelieren. Es wird übrigens auch daran geforscht weitere äußerliche Merkmale ableiten zu können, wie z.B. die Körpergröße oder die Gesichtsform. Bis jetzt sind diese Merkmale jedoch doch noch mal deutlich komplizierter als Haarfarbe, Augenfarbe und Hautfarbe, und werden deshalb zurzeit noch nicht angewendet. Das Alter funktioniert noch einmal ganz anders. Könnten Sie uns das kurz erklären?

Speaker #2: Cornelius Courts] Da sieht man sich ja die DNA-Methylierung an. Dem liegt zu Grunde, dass mit dem chronologischen Alter, also der eigentlichen Zeit die verstrichen ist, das biologische Alter natürlich korreliert, und das wiederum korreliert mit Methylierungsmustern, - also mit bestimmten kleine Addierungen, die an das DNA-Molekül angefügt werden. Das sind Methylgruppen, also es wird an dem eigentlichen Code nichts geändert, die mit verschiedensten Umwelteinflüssen sich ganz dynamisch verändern. Und was wir suchen, sind Orte an der DNA, wo sich das Methylierungsmuster möglichst nur mit dem Alter verändert, also mit anderen Umwelteinflüssen nicht. Die hat man gefunden. Die kann man mit geeigneten Methoden erheben. Das ist schon deutlich schwieriger, mit Bedarf auch anderer Laborinstrumente und einer ganz aufwendigen Validierung, um das zu machen, und das ist auch für jede Körperflüssigkeit anders. Also das ist schon ziemlich „special interest“, also da muss man schon spezialisiert sein als Labor. Wir jetzt hier in Köln haben die Feststellung des biologischen Alters aus Blutproben immerhin akkreditiert, also nach einer strengen Norm geprüft, - könnten es aber nicht für Speichel oder Spermaproben durchführen. Wenn man das aber entsprechend gut validiert hat und weiß, womit man es zu tun hat, also beispielsweise eine Blutprobe von einer mitteleuropäischen Person, dann kann man das Alter relativ zuverlässig so auf drei, vier Jahre genau bestimmen, was sehr, sehr hilfreich ist, wenn man gar nicht weiß, wie der Tatverdächtige möglicherweise ausgesehen hat, und auch das kontextualisiert natürlich andere Merkmale: Wenn da jetzt irgendwie 80 Jahre plus minus drei rauskommt, darf man davon ausgehen, dass die Haare vielleicht schon ergraut oder ausgefallen sind. Das ist also durchaus relevant dann auch für andere Merkmale.

Speaker #1: Barbara Strobl] Könnten Sie ein Beispiel nennen, wann so eine DNA-Phänotypisierung verwendet wurde?

Speaker #2: Cornelius Courts] Gerade wenn Täter oder Tatverdächtige nicht in der Datenbank drin sind, kommt es ja zum Einsatz. Und z.B. sind in der Regel so junge Mütter, die vielleicht nicht unbedingt schwanger werden wollten, in der Regel nicht in so einer kriminalistischen Datenbank erfasst. Es kommt aber regelmäßig vor, dass die ihre Babys, die dann neugeboren sind, aussetzen. Und sehr häufig findet sich dann an den Leichnamen oder an den noch lebenden Babys, - kann ja auch sein, dass es dann eine Aussetzung ist, oder an Taschen oder Behältern in denen die drin liegen, noch Blut von der Mutter, also DNA Material von der Mutter, weil wenn das mal oft direkt nach der Geburt passiert, - da gibt's dann natürlich Blutantragung. Und das kann man nutzen um eine Idee zu bekommen, wie die Mutter aussah. Und das haben wir schon mehrmals gemacht, und das hat auch schon dazu geführt, dass man die Mutter dann ausfindig machen konnte, nachdem eben aufgrund diesen genetischen Phänotyps, der ermittelt werden konnte, einschließlich des Alters, dann ganz gezielt ermittelt werden konnte.

Speaker #1: Barbara Strobl] Ein weiterer Ansatz der forensischen Genetik ist die RNA-Analyse. Könnten Sie uns erklären, was der Unterschied zwischen der RNA- und der DNA-Analyse ist?

Speaker #2: Cornelius Courts]Also die DNA-Analyse dient der, - wir nennen Das Individualisierung, also der eindeutigen Zuordnung von Spuren zu Personen. Weil das DNA-Molekül sehr stabil ist und in allen Körpergeweben identisch ist und so eindeutig, so individuell ist, dass wir, wie ich es eben beschrieben habe, mit diesen DNA-Profilen Spurenmaterial einer Person eindeutig zuordnen können, - das ist die Individualisierung. Aber es kommt eben häufig vor, dass das alleine nicht ausreicht um ein Spurenbild zu interpretieren, oder dass man noch mehr Information hat, um weitere Aspekte zum Spurenbild oder zur Rekonstruktion des Tatgeschehens beitragen zu können. Zum Beispiel ist die Kenntnis der Körperflüssigkeit oder der, - bei Mischungen, die Komponenten, aus denen sich eine Mischung zusammensetzt, - zwischen hilfreich bis entscheidend um einen Fall richtig interpretieren zu können. Und da aber die DNA nun mal in allen Körpergeweben, Körperflüssigkeiten gleich ist, eignet sie sich dafür nicht. Da kommen wir zur RNA. Die RNA hat ja in der Zelle ganz andere Aufgaben als die DNA. Wenn man sagt die DNA ist der Träger der genetischen Information, dann könnte man sagen die die RNA ist der Überträger, also eine kurzlebige dynamische Zwischenstufe, - die genetischen Informationen, also ausgewählte genetische Informationen aus dem Zellkern ins Zytoplasma transportiert und da dann zur Ausprägung, also zur in Funktionssetzung der biologischen Information beiträgt. Und das hat zur Folge, dass man an der Gesamtheit der RNAs, man nennt das das Transkriptom von Zellen, genau erkennen kann was für eine Zelle das ist, weil diese Gesamtheit ja sozusagen den Bedarf an Genprodukten der Zelle abbildet. Und da kann man reinzoomen, wenn man so will. Also man kann, wenn man sich das genau anguckt, einige wenige RNAs, die spezifisch sind, also die bereits die Spezifität dieses Transkriptoms abbilden, herausfiltern. Das sind dann solche sogenannten Signaturen, die dann, wenn man sie nachweisen kann, spezifisch sind für oder sicher Anzeigen, das vorhanden ist: Körperflüssigkeit X. So und dann haben wir also pro Körperflüssigkeit zwei, drei RNA-Marker, die in ihrer Kombination dann spezifisch diese Körperflüssigkeit anzeigen und können dann, aus einem Spurenmaterial unbekannter Zusammensetzung parallel, das ist ganz wichtig, die DNA analysieren um zu sagen, dass Material stammt von Person X, Y oder drei Personen oder einer Person oder zwei Personen und enthält die Komponenten Körperflüssigkeit X, Y und Z. Und das kann man natürlich zusammenführen und ganz andere Aussagen treffen. Ein konkretes Beispiel, wie man das anwenden kann oder wo eine DNA-Analyse allein nicht reichen würde, - etwas was wir relativ häufig haben, so eine Situation, - eine nicht gewünschte vaginale Penetration mit Etwas, einem Finger, einer Flasche, was auch immer, - sagen wir einer Bierflasche. Und, - angenommen der Tatverdächtige ist bekannt, sonst könnte man ja gar nicht gezielt arbeiten, sagt der Tatverdächtige, ja, man habe zusammen aus der Bierflasche Bier getrunken, also nur getrunken, aber die Tat ist nicht vollzogen worden. Und dann findet man an der Mündung der Bierflasche natürlich die DNA des Opfers, der Geschädigten, vielleicht noch des Tatverdächtigen, je nachdem. Und das ist mit beiden Aussagen vollständig kompatibel. Man kann also aufgrund dieses Befundes nicht sagen was mit der Bierflasche wirklich passiert ist. Finden wir aber jetzt an der Mündung der Bierflasche vaginalsekret-spezifisch exprimierte RNA und keine speichelspezifisch exprimierte RNA, dann ist die eine Erklärung, eine deutlich bessere Erklärung für das Spurenbild als die andere, - und das kann dann einem Gericht entscheidend hilfreich sein, um zu einem Entschluss zu kommen.

Speaker #1: Barbara Strobl] Die RNA-Analyse ist ja in der forensischen Genetik weiterhin etwas eher Neues und es wird auch immer noch daran geforscht. Könnten Sie vielleicht ein Beispiel nennen, wofür die RNA in Zukunft vielleicht noch verwendet werden kann?

Speaker #2: Cornelius Courts] Es gibt viele Forschungsansätze, die den großen Informationsgehalt, den RNA-Gesamtheiten - Transkriptom, aber auch von anderen RNA-Spezies also miRNA und so weiter - die diesen Informationsgehalt in diesen Molekülen erforschen. Und ein Projekt, das wir hier gerade, gefördert von der DFG, bearbeiten in unserem Haus, nennen wir „Molecular Alibi“ also Molekulares Alibi, wo es um die Frage geht, zu welcher Uhrzeit, also welcher Tageszeit eine Spur deponiert worden ist. Also wir finden ein Tatort mit Blut an der Wand und es geht jetzt um die Frage: „Wann war die Tat?“. Wenn wir z.B. schon einschätzen können, aus anderen Anschlusstatsachen, dass die Tat zwei Tage her war, stellt sich natürlich die Frage um welche Uhrzeit vor zwei Tagen, war die Tat. Insbesondere wenn z.B. für ein Tatverdächtigen ein Alibi vorliegt für eine bestimmte Uhrzeit und dann könnten wir sagen: „Nein die Spur ist um 8 Uhr oder um 10 Uhr oder um 2 Uhr nachts entstanden und wir sind gerade dabei, dieses zu erforschen - in welchem Rahmen das möglich ist. Und das sind ebenfalls so Ansätze: Zeitbestimmung, Zustandsbestimmung, die mittels in der RNA gespeicherten Informationen möglich sind oder hoffentlich dann auch routinemäßig möglich sein werden.

Speaker #1: Barbara Strobl] Der vierte und letzte Ansatz der forensischen Genetik, den wir heute besprechen wollen, ist die molekulare Ballistik. Das ist auch ein Thema, das ihnen selber besonders am Herzen liegt. Könnten Sie uns erklären, was die Molekulare Ballistik ist?

Speaker #2: Cornelius Courts] Als Molekulare Ballistik bezeichnen wir die molekularbiologische Analyse von Spuren und Spurenbildern die entstehen, wenn man mit einer Feuerwaffe auf biologische Ziele, also in der Regel Menschen, schießt. Das ist ein komplexeres Spurenbild, was da entsteht als man vielleicht gemeinhin denkt. Da sind natürlich auch andere Spurenarten, also z.B. Schmauch und die Wunde die entsteht, also für was die Wundballistiker sich interessieren gehören auch zu dem Spurenbild dazu, aber es entstehen eben auch Spuren die für uns Molekularbiologen interessant sind. Das ist einmal der „Forward Spatter“. Das glaube ich ist allgemein bekannt, wenn ein Projektil einen Körper komplett durchschlägt, also einen Austritt aus dem Körper macht, dann spritzt natürlich aus diesem Loch, das das Projektil dann schlägt um den Körper zu verlassen, auch Material heraus, das das Projektil vor sich hertreibt und hinter sich herzieht. Das der Forward Spatter, der dann natürlich an beliebigen Stellen des Tatorts, auf anderen Personen, auf Wänden, auf Gegenständen, auf dem Boden landen kann. Aber auch aus der Einschusswunde spritzt Material zurück in Richtung der Waffe des Schützen - das nennen wir „Back Spatter“. Und der kann auch analysiert werden. Der wiederum kann sich dann, wegen der Richtung in die er spritzt, auf den Händen, auf der Kleidung, auf dem Schützen befinden und auch auf der Waffe und auch in der Schusswaffe - auch an inneren Oberflächen der Schusswaffe, kann der sich befinden. Und je mehr dieser Spurenbildelemente man dann untersucht und mit je mehr Methoden, desto besser wird das Bild, was man sich von dem Schusshergang machen kann. Man stelle sich vor, wir haben also die Waffe oder finden die Waffe später bei einem Tatverdächtigen, - können aufgrund von außen anhaftender DNA nachweisen, dass der Tatverdächtige die Waffe wahrscheinlich gehandhabt hat, - finden in der Waffe Rückschleuderspuren, Back Spatter Spuren, die zeigen, dass mit dieser Waffe zwei verschiedene Personen getötet wurden sind, - wissen, dass an Tatort 1 Forward Spatter von der ersten Person und Tatort 2 Forward Spatter von der zweiten Person gefunden wurden ist, - können also das wiederum zusammenführen und sagen: „Okay, diese Waffe hat Person 1 an Tatort A und Person 2 an Tatort B verletzt.“, und können dann sogar noch, wenn es der Back Spatter noch erlaubt, aber das haben wir auch schon gezeigt in der Publikation, die RNA Analyse einklinken und die spezifisch für bestimmte Organgewebe im Back Spatter exprimierte RNA untersuchen und z.B. sagen: „Der einen Person ist in den Kopf geschossen wurden, der anderen ins Herz.“, oder so. Und wenn man das alles zusammenzieht, hat man physikalische Information, also braucht keine Zeugenaussagen, brauch keine Vermutung, Spekulation oder sowas und kann nur aufgrund solcher molekularballistischen Untersuchung sehr wesentliche Aspekte des Tathergangs rekonstruieren.

Speaker #1: Barbara Strobl Was war denn bis jetzt der spannendste Fall in ihrer Karriere?

Speaker #2: Cornelius Courts] Einen Fall den ich persönlich spektakulär fand, gibt es natürlich. Das ist der Knochen aus dem See. Vor einigen Jahren ist bei einer Kampfmittelräumaktion in einem See in Rheinland-Pfalz unter anderem ein menschliches Knochenfragment geborgen wurden. Und der ist dann in der Rechtsmedizin untersucht wurden wo ich auch war. Die Rechtsmediziner haben schon gesagt: „Ja das ist ein menschlicher Knochen“, - der ist aber wahrscheinlich alt, also mindestens 60 Jahre alt. Dann hat die Staatsanwaltschaft das Interesse verloren, weil so wahrscheinlich nicht mehr an einem rezenten Tötungsdelikt ermittelt werden musste und hat uns auch gar nicht mehr großartig den Auftrag erteilt „Das muss jetzt identifiziert werden“, weil wir haben gar keinen Anhaltspunkt, wer das gewesen sein kann. Wir hatten also da diesen Knochen liegen. Und dann haben wir doch gesagt: „Naja, wir versuchen wenigstens ein DNA-Profil zu erzeugen, - vielleicht gibt es einen Treffer in der Vermissten- und Toten-Datenbank.“. Dann sind wir furchtbar gescheitert. Es hat überhaupt nicht funktioniert mit unseren Methoden die wir kannten. Dann haben wir begonnen zu forschen, - haben wir gesagt, wir nehmen die Herausforderung an und haben uns monatelang hingesetzt, Literatur gelesen, Methoden kombiniert, Methodenteile angepasst, an Übungsknochen in Anführungszeichen geübt, bis wir nach Monaten einem Methode hatten, die wir auch publiziert haben, mit der es uns gelungen ist auch aus diesem alten Knochen, von dem wir vermutet haben, dass der nun wirklich knapp 70 Jahre auf dem Grund eines Süßwassersees lag, ein halbwegs vollständiges DNA-Profil zu erstellen. Und wie sich rausstellte, das haben wir dann historisch bisschen geforscht, ist über diesem See zur zweiten Weltkriegszeit, ein britischer Bomber abgeschossen wurden, - ein Bomberflugzeug das da in den See gestürzt ist. Und da waren wirklich noch Bomben, die man da auch versucht hat zu bergen. Also lag es nahe, dass vielleicht einer von den Besatzungsmitgliedern die Quelle des Knochens war. Man wusste von denen zum Teil, dass die überlebt hatten, zum Teil, dass sie in Kriegsgefangenschaft waren, zum Teil, dass sie gestorben sind. Und zwei von der Besatzung, - deren Schicksal war ungeklärt. Und es traf sich, dass in einem Google Earth Forum, da haben wir dann ebenfalls weiter recherchiert, die Familie eines dieser beiden Besatzungsmitglieder vertreten war. Und die haben uns dann eine DNA Vergleichsprobe besorgt von dem möglichen Bruder eines der Beiden. Und den konnten wir ausschließen. Das war also ein Brite und wir konnten also ausschließen, dass dieser ältere Herr der Bruder des, in Anführungszeichen, Knochens war. Und dann blieb nur noch ein kanadischer Staatsangehöriger als mögliche Quelle übrig. Dann haben wir kanadische Behörden angeschrieben, die Botschaft, das Auswärtige Amt, das Verteidigungsministerium, alles Mögliche, ist alles im Sand verlaufen – scheinbar, weil dann drei Jahre später, sich das kanadische Verteidigungsministerium gemeldet hat und gesagt hat, wir hätten ja diesen Antrag gestellt und man hätte jetzt eine Familie in Kanada ausfindig gemacht. Und da saß ein über 90 Jahre alter Herr, der Zeit seines Lebens damit gehadert habe nicht zu wissen, was mit seinem Bruder, der nämlich möglicherweise in Deutschland im Krieg fallen sei, geworden sei. Und der hat eine Speichelprobe abgegeben und stellte sich raus: Das war der Bruder und wir hatten den Knochen tatsächlich identifiziert nach all den Jahren. Und der ist dann bestattet wurden mit Kriegsbegräbnis in allen Ehren und Würden auf einem Friedhof in Deutschland. Also aus dem Fall ist eine Publikation entstanden und er wäre niemals gelöst wurden, wenn wir an den Universitäten, am Institut für Rechtsmedizin nicht die Möglichkeit hätten uns mit sowas ins Labor zu stellen und das zu erforschen, dazu beizutragen, dass jetzt andere Leute unsere Methode nutzen können und, dass dieser Fall zu einem Ende gekommen ist, - also auch historische Relevanz hat. Das war so für die Kanadier ziemlich wichtig zu wissen was da aus diesem Soldaten geworden ist.

Speaker #1: Barbara Strobl Ich würde nun noch gerne auf die unterschiedlichen Unsicherheiten der einzelnen Ansätze zu sprechen kommen. Können Anwälte, Richter, Geschworene etc. diese Unsicherheiten angemessen verstehen und auch gut damit umgehen?

Speaker #2: Cornelius Courts] Die Vorhersagen der Phänotypisierung, - die sind tatsächlich nicht sehr stark, also zumindest im Vergleich zu den bekannten DNA-Profilen. Das ist aber auch egal, weil das spielt bei Gericht überhaupt gar keine Rolle, denn ein Gericht muss nie entscheiden ob ein Tatverdächtiger möglicherweise blond oder schwarzhaarig ist, - der ist ja entweder da oder nicht da, - dann sieht man es ja. Das ist nur für die Ermittlung relevant und man kann natürlich sagen, wenn wir 96%-ige Wahrscheinlichkeit haben, dass jemand schwarze Haare ha, ist es nicht verfehlt, wenn man sonst keinen Hinweis hat Ermittlungshandlung diesbezüglich zu priorisieren, - das ist natürlich völlig okay. Bei den DNA-Profilen, da ist es so, dass man immer wieder darauf hinweisen muss, dass wir als forensisch-genetische Sachverständige nur Aussagen zu den Befundenen machen, - niemals zu den eigentlichen Tathergängen. Also wenn z.B. die Frage ist: „Wie wahrscheinlich ist das, dass der Angeklagte die DNA da beigetragen hat?“, dann sagen wir: „Das können wir so nicht beantworten“, sondern wir sagen: „Das Befundbild wird um so und so vielmal besser erklärt, wenn der Angeklagte Miturheber dieser Spur war, als wenn ein mit ihm unverwandter zufällig beigezogener Mensch aus der Bevölkerung Urheber war.“. Und wenn die Richter dann sagen: „Das ist doch dasselbe“, dann muss man sagen: „Nein, das ist es nicht“. Es ist extrem wichtig Wahrscheinlichkeit und was sie bedeuten richtig zu kommunizieren und darauf zu achten, als Sachverständige, dass das nicht missbräuchlich oder unsachgemäß in eine Urteilsfindung mit einfließt. Bei den normalen DNA Profilen ist das oft nicht ganz so kritisch, weil wenn man da von einer gleichen Wahrscheinlichkeit der Hypothesen vor Befunderhebung ausgeht, dann darf man tatsächlich, wenn das Gericht einen wirklich fragt, - kann eine gutachterliche Einschätzung abgeben und sagen: „Ja, es ist wahrscheinlicher, dass der Tatverdächtige die Spur gelegt hat.“. Aber wenn wir bei der Aktivitäten-Ebene sind, - wenn es also darum geht, wie sind Spurenbilder entstanden, dann haben wir ganz oft das Problem, dass z.B. ein Verteidiger sagt: „Ja, die DNA ist von meinem Mandanten aber der war nie am Tatort. Das Tatwerkzeug an dem seine DNA gefunden worden ist, - die DNA ist durch indirekten DNA Transfer darauf gelangt. Der hat der hat dem echten Täter die Hand gegeben, der echte Täter hatte Handschuhe an, und dann hat er die DNA des Mandanten über die Handschuhe auf das Tatwerkzeug transportiert.“. Fragt das Gericht: „Ist das möglich? Dann kann man immer nur sagen: „Ja, das kann man nicht ausschließen.“. Es gibt Studien die zeigen, dass solche Transferwege erstens möglich sind und zweitens nachgewiesen werden können. Und dann fragt das Gericht: „Wie wahrscheinlich ist das denn?“. Und dann muss man sofort Einhalt gebieten und sagen: „Das dürfen wir nicht beantworten“, denn das ist ja eine Aussage zu der Hypothese und wir dürfen uns nur zu dem Spurenbild äußern. Das heißt wie wahrscheinlich kommt dieses Spurenbild was wir hier haben zustande, wenn entweder die Anklagehypothese oder die Verteidigungshypothese zutreffen. Und das ist eine komplett andere Baustelle, die viel, viel, viel schwieriger zu beackern ist. Und lange Rede, kurzer Sinn, werden ja Wahrscheinlichkeiten und Zahlen von Gerichten häufig anders verstanden oder interpretiert als sie von uns gemeint sind und ich halte das für enorm wichtig das richtig zu kommunizieren, an den richtigen Stellen auf Abstand zu gehen und zu sagen: „Dazu äußern wir uns nicht, dazu dürfen wir uns nicht äußern. Wir dürfen uns nur hier und hier zu äußern.“, weil wir auch wissen, dass diese sogenannten Prosecuter Fälle schon zu echten Fehlurteilen geführt hat, - das müssen wir verhindern als Sachverständige.

Speaker #1: Barbara Strobl] Und wie gut sind denn die Unsicherheiten dieser einzelnen Ansätze bekannt?

Speaker #2: Cornelius Courts] Das ist einer der riesigen Vorteile, weswegen wir auch immer werben für Phänotypisierung, weil wir ja ganz genau wissen, mit einer wie großen Wahrscheinlichkeit die Vorhersage falsch liegt. Wenn ich also sage 80% Wahrscheinlichkeit für braune Haare, dann weiß ich, dass ich mit 20% daneben liege. Das ist aber nur für die Ermittlung. Bei den DNA-Profilen, die ja nun wirklich auch einer Verurteilung zugrunde liegen können, - da kennen wir den Fehler auch. Der ist aber so astronomisch gering, dass wir da wirklich mit Begriffen wie „praktisch erwiesen“ oder „jenseits jedem begründeten Zweifels“ operieren können. Denn rein zufällig könnten zwei Personen dasselbe DNA Profil haben, die jetzt nicht verwandt sind. Das ist aber, - da reden wir dann von Häufigkeiten in der Bevölkerung von eins zu einer, zum Teil, Trillionen. Es gibt aber nur 8 Milliarden Menschen. Das heißt, das ist wäre so derartig unwahrscheinlich, dass da jedes Gericht, auch die Verteidiger akzeptieren, dass das eine derartig absurd unwahrscheinliche Annahme wäre, dass man damit nicht arbeitet.

Speaker #1: Barbara Strobl] Zum Abschluss würde ich noch gerne das Thema Ethik ansprechen. Es gibt ja sicher viele ethische Fragen im Bereich forensische Genetik. Könnten Sie uns dazu ein Beispiel nennen?

Speaker #2: Cornelius Courts] Was sicherlich interessant ist, in den USA gab's jetzt spektakuläre Fallaufklärungen, wo diese Methode eingesetzt worden ist: „Investigative Genetic Genealogy“ heißt das. Da hat man also Spaßdatenbanken, in die Leute freiwillig ihre DNA einstellen um etwas über ihre Herkunft oder über eventuelle Prädispositionen für Erkrankung zu erfahren, verwendet, um in echten Kriminalfällen eine Spur des Täters zu bekommen. Das muss man wissen, dass nach populationsgenetischen Untersuchung es so ist, dass bei einer nordeuropäischen Population, wenn mindestens 2, irgendwas Prozent der Bevölkerung in dieser Datenbank repräsentiert sind, jedes einzelne Mitglied dieser Population eine über 99%-ige Wahrscheinlichkeit hat, mindestens einen Cousin zweiten oder dritten Grades in dieser Datenbank drin zu haben. Bei den US-Amerikanern ist das so, - da sind eine ausreichend große Anzahl von Leuten diesen Datenbanken drin, - das heißt für jeden US-Amerikaner, zumindest weißen, nordeuropäischen Hintergrunds-Amerikaner gibt's also eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass da irgendein Verwandter in dieser Datenbank drin ist. Und das hat man sich zu Nutze gemacht, unter anderem bei dem ganz berühmten „Golden State Killer“, der in den 70er 80er Jahren viele, viele, viele Morde, Vergewaltigung und andere schwere Straftaten begangen hat und danach überhaupt nicht mehr. Man hatte noch ein DNA-Material von dem aus irgendeinem der Tatorte, hat das dann in so eine von diesen Datenbanken eingestellt und kreuzuntersucht und hat mögliche Verwandte in diesen Datenbanken ausfindig gemacht. Und dann hat man über ganz normale polizeiliche Ermittlung dann sich an dem Stammbaum entlang gehangelt, bis man den als Verdächtigen hatte. Dann haben sie sich, auf welche Weise auch immer, eine DNA-Probe von dem besorgt, konnten zeigen, dass es zu der DNA am Tatort passt und der sitzt jetzt im Gefängnis der Mann. Frage ist natürlich: „Ist das ethisch cool das so zu machen oder nicht?“, und wenn ja: „Was spricht dagegen?“. Müsste man die Rechte der Leute in den Datenbanken beachten? Haben die zugestimmt, dass diese Datenbank kriminalistisch verwertet werden dürfen? Hat das überhaupt das Pendant der Strafprozessordnung in USA hergegeben so vorzugehen als Ermittlungswerkzeug? - In Deutschland wird es ja z.B. nicht gemacht, - da würde man die StPO so auslegen, dass das nicht unbedingt okay ist, das zu machen. Das ist sowas was ich ganz interessant finde. Da kann man sich Gedanken drüber machen, - würde man das gut finden, wenn man selber eigentlich nur wissen will, ob man, was weiß ich, finnische Vorfahren hat, - dass man da möglicherweise damit beiträgt Straftaten aufzuklären. Das kann aber natürlich auch mal einen Verwandten betreffen, also will man das? Das ist glaube ich nicht so ganz einfach zu beantworten.

Speaker #1: Barbara Strobl] Es gibt also sehr viele verschiedene Ansätze in der forensischen Genetik. Z.B. das DNA-Profil, das für die Individualisierung verwendet wird. Die DNA-Phänotypisierung, die mehr oder weniger wie ein DNA-Phantombild funktioniert aber nur für manche Merkmale möglich ist. Und die RNA-Analyse, sowie die Molekulare Ballistik, die Kontext für eine Straftat liefern. Außerdem wird weiterhin an weiteren Ansätzen geforscht. Diese verschiedenen Ansätze sind alle mit unterschiedlichen Unsicherheiten verbunden. Das muss dann vor Gericht auch gut kommuniziert werden.Habt ihr gewusst, dass man auch RNA in der forensischen Genetik verwenden kann? Antwortet uns auf unserer Homepage www.ghga.de/de/CodeDesLebens .Dieser Podcast wurde präsentiert von GHGA. Wir bieten Infrastruktur in welcher Genomdaten sowie weitere medizinische Daten sicher gespeichert und kontrolliert zugänglich gemacht werden können. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und ist Teil der nationalen Forschungsdaten-Infrastruktur. Weitere Informationen findet ihr unter www.ghga.de Vielen Dank fürs Zuhören und herzlichen Dank an unseren heutigen Gast Prof. Dr. Cornelius Courts. Bis zum nächsten Mal.

Über diesen Podcast

Der Code des Lebens – der Wissenschaftspodcast von GHGA beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten der menschliche Genomforschung. Obwohl wir 99% unseres Erbgutes (=unserer Gene) miteinander teilen, machen die kleinen Unterschiede uns zu dem was wir sind. Doch wie ist unser Erbgut eigentlich entstanden? Wie funktioniert Genomforschung und wie beeinflussen unsere Gene unser tägliches Leben? Diesen Fragen und mehr geht “Der Code des Lebens” auf den Grund. Zuhörende benötigen kein spezielles Vorwissen um in die faszinierende Welt der Gene einzutauchen.

Dieser Podcast wird präsentiert von GHGA – dem deutschen Humangenom-Phenom Archiv. Wir entwickeln eine Infrastruktur, in welcher humane Genomdaten sicher gespeichert und kontrolliert für die biomedizinische Forschung zugänglich gemacht werden können. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und ist Teil der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI).

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