00:00:03: Eine Landkarte, auf der nur einzelne Orte oder Straßenabschnitte zu sehen sind.
00:00:08: So wirkt klassische DNA-Analyse manchmal.
00:00:11: Man erkennt die Details, aber das große Ganze bleibt verschwommen.
00:00:16: Mit Long-Read Sequencing verändert sich das Bild.
00:00:18: Plötzlich sehen wir ganze Regionen, Zusammenhänge, Abzweigungen.
00:00:21: Statt einzelner Bruchstücke bekommen wir ein Gefühl für das gesamte Terrain unseres Erbguts.
00:00:26: Und das hilft, bisher verborgene Krankheitsursachen zu entdecken.
00:00:31: In der letzten Folge haben wir über Optical Genome-Mapping gesprochen.
00:00:35: Da ging es um große Veränderungen in der Struktur des Genoms, sogenannte strukturelle Varianten, also zum Beispiel gelöschte, verdoppelte oder umgeordnete Abschnitte unseres Erbguts.
00:00:46: Heute schauen wir genauer hin.
00:00:48: Long Read Sequencing ermöglicht uns, feinere Veränderungen und die Beziehungen einzelner DNA-Abschnitte besser zu erkennen und bringt uns so auf die Spur von bislang unbekannten Krankheitsursachen.
00:01:02: Schön, dass ihr wieder dabei seid beim Code des Lebens.
00:01:05: Ich bin Johanna Stegmann und spreche hier jeden Monat mit spannenden Gästen aus der Genomforschung.
00:01:11: Mein heutiger Gast ist, wie auch schon in der letzten Folge, Dr.
00:01:14: Kornelia Neveling.
00:01:15: Sie hat Biologie studiert und in der Humangenetik promoviert.
00:01:19: Am Radboud University Medical Center in den Niederlanden arbeitet sie an der Schnittstelle von Forschung und Diagnostik und untersucht, wie neue Technologien dabei helfen können, die Diagnose genetischer Erkrankungen zu verbessern.
00:01:33: Wir starten direkt rein mit der Frage, was genau ist eigentlich Long Read Sequencing und was ist das Besondere daran?
00:01:41: Ja, Long Read Sequencing, das ist eine Sequenziermethode.
00:01:45: Das heißt, hier lesen wir wirklich die vier Bausteine der DNA, A, C, G und T, um den Code des Lebens quasi lesen zu können.
00:01:57: Jetzt muss ich vielleicht ein bisschen ausholen zurück, als ich angefangen habe mit der Sequenzierung.
00:02:02: Da haben wir noch die sogenannte Sanger Sequenzierung benutzt.
00:02:06: Das heißt, wir konnten mit einer Kapillare, da haben wir die DNA in Stückchen gehabt und da konnten wir vielleicht dreihundert bis fünfhundert Basenpaare am Stück lesen.
00:02:17: Das kann man sich vorstellen, wenn man das Ganze genommen so analysieren muss, dann dauert das wahnsinnig lange.
00:02:24: Kurz zur Erinnerung, insgesamt haben wir ja drei Komma eins Milliarden Basenpaare.
00:02:29: Ich finde, dass es immer noch mal krass ist, sich das vorzustellen, wie klein diese Teile dann tatsächlich sind, ne?
00:02:35: Genau.
00:02:36: Dann kann man sich auch vorstellen, dass dauert immer eine Weile, bis man so ein Gen dann gelesen hat.
00:02:42: Nun kam ungefähr mit 2005 das Next Generation Sequencing auf den Markt.
00:02:47: Da sequenzieren wir auch noch in relativ kleinen Stücken.
00:02:51: Aber jetzt können wir das Millionenfach gleichzeitig machen.
00:02:54: Dann hat man diese Millionen von kleinen Stückchen, die man ja doch irgendwie wieder zusammensetzen muss zu einem Genom.
00:03:03: Und das ist gar nicht so einfach.
00:03:05: Weil wir haben immer noch ziemlich schwierige Bereiche in unserem Genom, die zum Beispiel sehr repeatreich sind, wo immer wieder die gleichen Stücke hintereinander vorkommen.
00:03:15: Und wenn man das jetzt mit so ganz kleinen Stücken zusammensetzen muss, das ist wahnsinnig schwierig.
00:03:21: Jetzt können Sie sich vielleicht mal vorstellen, wir haben ein Buch, wo unser Code des Lebens drin steht und ich würde das Buch jetzt zerschnibbeln mit einer Schere in jedes einzelne Wort oder vielleicht mal anderthalb Worte am Stück und das dann wieder zusammensetzen müssen.
00:03:35: Passieren schon mal Fehler.
00:03:38: Und dadurch hilft uns das Long Read Sequencing enorm, weil wir jetzt lange Stücke sequenzieren.
00:03:44: Und es gibt verschiedene Technologien.
00:03:45: Das heißt, wie lange es tatsächlich ist, das hängt ab von der Technologie, die man benutzt.
00:03:50: Aber wir lesen jetzt Tausende von Basenpaaren gleichzeitig.
00:03:56: Und das heißt, wir brauchen viel weniger Stücke, um das ganze Genom abzudecken und können das dementsprechend auch viel einfacher wieder zusammensetzen.
00:04:05: Das heißt, ich würde jetzt vielleicht mehrere Seiten aus diesem Buch lesen und die zusammensetzen müssen.
00:04:11: Was wesentlich einfacher ist als einzelne Wörter.
00:04:15: Denkst du, es ist irgendwann realistisch, dass man das komplette Genom am Stück ablesen kann?
00:04:22: Ich habe meine Zweifel, ehrlich gesagt.
00:04:25: Es wäre wünschenswert, vielleicht per Chromosom, dass man das ganze Chromosom am Stück lesen könnte,
00:04:33: ich weiß es ehrlich gesagt nicht.
00:04:34: Ich habe meine Zweifel, aber es hat sich schon so viel entwickelt in der Humangenetik, dass es schwierig ist zu sagen, es geht gar nicht.
00:04:42: Die längsten Fragmente, die man im Moment lesen kann, sind so ungefähr vier Megabasen lang.
00:04:47: Also das ist schon sehr sehr lang.
00:04:51: Ich habe den Vergleich gelesen, dass man sich das ein bisschen wie ein Puzzle vorstellen kann mit dem Long Read Sequencing.
00:04:59: Short Read Sequencing, wo man ja sehr viele kleine Schnipsel hat, dass das so ein Puzzle ist mit 1000 Teilen zum Beispiel.
00:05:06: Und Long Read Sequencing ist dann ein Kinderpuzzle mit 20 Teilen.
00:05:12: Das kann man sich ja sehr gut vorstellen, also absolut.
00:05:15: Es ist viel einfacher als es wieder zusammenzusetzen hinterher.
00:05:19: Wenn wir jetzt mal tiefer einsteigen ins
00:05:22: Long
00:05:22: Read
00:05:23: Sequencing.
00:05:24: Was passiert da genau im Labor?
00:05:26: Also... Von Anfang bis Ende bis zum Ergebnis bis zum Auslesen, wie kann ich mir das vorstellen.
00:05:33: Ja, da gibt es verschiedene Methoden.
00:05:36: Es gibt zwei, ich sag mal, Hauptspieler auf dem Markt.
00:05:39: Das ist PacBio oder Pacific Biosciences, wie die eigentlich heißen.
00:05:44: Wir sagen immer PacBio.
00:05:46: Und die andere Firma ist Oxford Nanopore.
00:05:50: Oxford Nanopore nutzt das sogenannte Nanopore Sequencing, kurz ONT.
00:05:54: PacBio arbeitet mit einer Methode, die Smart Sequencing heißt, auch Hi-Fi Sequencing genannt.
00:06:01: Jetzt haben wir bei uns im Labor in Nijmegen.
00:06:03: Wir arbeiten hauptsächlich mit PacBio.
00:06:06: Und da ist es so, dass wir mit doppelsträngiger DNA arbeiten, das heißt
00:06:11: DNA, die wir einfach isolieren aus Zellen.
00:06:14: Und diese schneiden wir in Fragmente von ungefähr fünfzig bis zwanzigtausend Basenpaare.
00:06:20: Relativ große Fragmente.
00:06:22: Und an diese Fragmente hängen wir an beide Enden eine Adaptersequenz.
00:06:29: Und das muss man sich vorstellen wie ein Stück künstliche DNA, die wir einfach an beide Enden dieser Fragmente anhängen, die sind aber geschlossen wie ein Kreis.
00:06:40: Warum ist es denn wichtig, dass die einzelnen DNA-Abschnitte wie in einem Kreis geschlossen sind?
00:06:47: Das ist wichtig, weil wir mit Polymerasen die DNA lesen.
00:06:56: Und die Polymerasen, die wir benutzen, um diese ganz langen DNA-Fragmente zu lesen, die sind sehr fehleranfällig.
00:07:04: Es gibt ganz viele Polymerasen, muss ich dazu sagen.
00:07:06: Es gibt welche, die sehr akkurat sind, aber vielleicht nur kurze Stücke lesen wollen.
00:07:11: Es gibt aber welche, die auch ganz lang arbeiten können, aber die machen dann schon gerne mal einen Fehler zwischendurch.
00:07:17: Und durch diese geschlossene Kreisstücke, das war ganz schlau bedacht von Pac Bio,
00:07:24: können wir die Polymerase bis zum Ende des Fragments lesen lassen, dann läuft die einmal um den Kreis rum und liest die ganze Strecke wieder zurück.
00:07:33: Dann habe ich hier wieder ein Kreis, dann läuft sie wieder und fängt wieder von vorne an.
00:07:37: Das heißt, ich kann das ganze Molekül immer wieder durch die gleiche Polymerase lesen lassen.
00:07:43: Jetzt macht die zwar immer wieder Fehler, aber diese Fehler sind zufällig.
00:07:48: Und wenn ich die ganzen Fragmente jetzt hinter nehme, dann ist der Fehler immer mal wieder an einer anderen Position.
00:07:54: Das kann ich rausrechnen.
00:07:55: Da machen wir eine sogenannte Konsensussequenz hinterher raus.
00:07:59: Und dann habe ich ein ganz langes DNA-Fragment gelesen mit einer ganz hohen Akkuratheit von über 99 Prozent.
00:08:06: Und das ist, was wir wollen, lange DNA-Fragmente mit einer ganz hohen Genauigkeit.
00:08:12: Okay, also ich habe jetzt verstanden, wir haben die DNA, die wird in große Stücke zerteilt, dann werden die Enden abgeschlossen und dann läuft die Polymerase durch.
00:08:22: Und man hat jetzt aber trotzdem immer noch einzelne Abschnitte, einzelne Puzzleteile.
00:08:27: Wie bringe ich die denn dann wieder zusammen?
00:08:30: Das ist ähnlich wie beim Short Read Sequencing auch.
00:08:35: Es wird immer so sein, dass die einzelnen Teile, die wir lesen, teilweise überlappen.
00:08:42: Das heißt, wir können die überlappenden Stücke nehmen, um zu sehen, wie in einem Puzzle tatsächlich, welche Stücke gehören zusammen.
00:08:50: Und da gibt es Computer-Algorithmen für, die das natürlich machen.
00:08:53: Wir müssen das nicht selber mit der Hand machen, die Algorithmen setzen das Genom oder die einzelne Stücke der Fragmente dann wieder zusammen.
00:09:01: Also, da läuft dann die Polymerase durch und dann hat man eine Sequenz.
00:09:08: Wie erkenne ich denn jetzt aber, was für eine Basis das ist, also ob das Adenin, Thymin, Guanin oder Cytosin ist?
00:09:16: Ja,
00:09:16: das sind die einzelnen Basen.
00:09:18: Die sind auch wieder gekoppelt an einen Farbstoff.
00:09:21: Das heißt, jede der einzelnen Basen hat ihre eigene Farbe.
00:09:25: Und immer, wenn eine Polymerase ein Nucleotid einbaut, dann wird die entsprechende Base detektiert und gibt ein Lichtsignal ab.
00:09:34: Das kann man dann auffangen.
00:09:37: mit einer Kamera.
00:09:38: Es wird detektiert, in ein Signal umgeschrieben und die Polymerase wird dann den nächsten Baustein einordnen.
00:09:45: Bekomme ich am Ende dann wirklich ein buntes Bild der DNA oder wandelt die Software die Farbsignale zum Beispiel in Sequenzdaten um?
00:09:54: Das wird übersetzt.
00:09:56: Ja, wir bekommen die Bilder selber nicht.
00:09:58: Was wir bekommen
00:09:59: ist eigentlich
00:10:00: eine riesengroße Textdatei, wo wie in einem Buch einfach nur die vier Buchstaben hintereinander weg stehen.
00:10:07:
00:10:08: Und diese Textdatei kann man dann wieder in andere Formate umwandeln, mit denen wir weiter die Analysen durchführen.
00:10:15: PacBio
00:10:16: schaut also dem Kopiervorgang von einer Polymerase zu.
00:10:20: Habe ich das so richtig verstanden?
00:10:22: Ja, ich glaube so in etwa kann man das sagen.
00:10:25: Okay.
00:10:26: Du hast ja gesagt, ihr arbeitet damit, es gibt aber noch einen weiteren Anbieter: Nanopore.
00:10:31: Die
00:10:32: nutzen ja ein anderes System, oder?
00:10:35: Genau, die nutzen Nanoporen.
00:10:38: Das heißt, die sequenzieren auch auf einem Chip.
00:10:41: Und auf einem Chip muss man sich vorstellen, liegt eine Art Membran.
00:10:44: Und in dieser Membran gibt es ganz viele kleine Poren.
00:10:48: Die sind sehr klein, deswegen heißen die auch Nanoporen.
00:10:51: Und die DNA wandert auf diesen Chip durch diese Poren hindurch.
00:10:58: Jetzt liegt eine Spannung vor in jeder Pore.
00:11:01: Das heißt, jede Pore ist mit einer Elektrode verbunden und einem Sensorchip.
00:11:06: Und immer wenn ein Nukleotid von der DNA durch die Pore hindurch wandert, gibt es ein ganz charakteristisches elektrisches Signal, das durch den Chip detektiert wird.
00:11:17: Und so kann real-time gelesen werden, welches Nukleotid gerade durch diese Pore hindurch wandert.
00:11:26: Ich finde das so abgefahren, wenn man sich vorstellt, wie klein das alles ist und dass da dann noch elektrische Signale eingebaut werden, um eben zu erkennen, welche Basis das ist.
00:11:37: Also, alleine, wie man so was herstellt, ist für mich wirklich ein großes Wunder.
00:11:42: Ja, das ist schon toll und das könnte ich selber auch nicht.
00:11:45: Ich bin auch dankbar, dass ich das nur benutzen darf.
00:11:49: Du hast ja PaccBio und Oxford Nanopore gerade besprochen.
00:11:53: Das sind ja zwei unterschiedliche Techniken.
00:11:56: Welches System macht wann mehr Sinn?
00:12:00: Also, die haben wahrscheinlich beide ihre Vor- und Nachteile.
00:12:03: Ich habe gelesen, das eine ist eher für die Feldforschung, beispielsweise.
00:12:08: Kannst du da noch mehr darüber erzählen?
00:12:11: Es kommt ein bisschen darauf an, was man machen möchte.
00:12:15: Ich glaube, im Prinzip sind beide Techniken gut geeignet für die Long Read Sequenzierung.
00:12:22: Wir selber haben uns schon vor Jahren für PacBio entschieden.
00:12:26: Daher ist es bei uns einfach natürlich gewachsen, dass wir jetzt mit PacBio arbeiten.
00:12:31: Wir haben relativ große Maschinen und wir wollen tatsächlich unsere Diagnostik auf Long Read Sequencing umstellen.
00:12:38: Das heißt, dann ist es sinnvoll, große Maschinen zu haben, mit denen man einen großen Thruput bedienen kann, um viele Genome zu analysieren.
00:12:49: Wie groß ist so eine Maschine denn? Wie ein Kopierer oder wie ein großer Drucker?
00:12:55: Eher wie ein großer Kühlschrank bzw.
00:12:57: eine Kühlgefrierkombination.
00:13:01: Bei Oxford Nanopore ist es so, dass sie sehr verschiedene Sequenzierer haben.
00:13:07: Die haben auch große Maschinen, aber die haben auch sehr kleine.
00:13:12: Wobei der Kleinste tatsächlich vergleichbar ist ungefähr mit der Größe eines USB-Sticks.
00:13:17: Das heißt, wenn jemand wirklich außerhalb irgendwo arbeitet und vor Ort sequenzieren muss, dann kann man natürlich so einen kleinen Minisequenzierer mitnehmen.
00:13:27: Wird man nicht die großen Massen mit sequenzieren können, aber ist dann auch nicht natürlich was in dem Moment gewünscht ist.
00:13:34: Ein schönes Vorbild dafür ist zum Beispiel ein Kollege von uns, Jeroen de Ridder aus Utrecht.
00:13:41: Die benutzen Oxford Nanopore während
00:13:45: Hirnoperationen.
00:13:47: Also wenn ein Chirurg zum Beispiel im Operationssaal steht und einen Hirntumor entfernen muss, ist es wahnsinnig wichtig zu wissen, wie viel Tumormaterial man entfernen muss.
00:14:00: Man muss ja immer so viel wie möglich entfernen und gleichzeitig wahnsinnig aufpassen, dass man nichts vom Gehirn beschädigt.
00:14:07: Dafür ist es sehr hilfreich zu wissen, um welchen Tumortypen es sich genau handelt.
00:14:12: Das weiß man aber nicht immer unbedingt vorher.
00:14:15: Mit bildgebenden Verfahren ist das nicht immer deutlich zu sagen vorher.
00:14:19: Und was sie jetzt gemacht haben, ist, dass während einer Hirnoperation Material abgenommen wurde, das mit ONT sequenziert wurde.
00:14:27: Wenn ich mich richtig erinnere innerhalb von neunzig Minuten, das Ergebnis da war, man genau wusste, um welchen Tumortyp es sich handelt.
00:14:33: Es wurde noch während der OP wieder zurückgegeben an die Chirurgen und die konnten dementsprechend die Operation anpassen.
00:14:41: Und das geht natürlich auch nicht mit den riesen Maschinen, die wir erstmal vollkriegen müssen hier, sondern dann wird sich so ein kleiner Sequenzierer natürlich sehr anbieten.
00:14:50: Also es sind zwei gleichwertige Systeme und man entscheidet sich dann eben für eins, aber das eine ist jetzt nicht besser als das andere.
00:14:58: Ne, genau, das ist immer je nachdem, was man braucht.
00:15:01: Oxford Nanopore kann viel länger auch sequenzieren.
00:15:04: Die können wirklich bis zu vier Megabasen lange Fragmente sequenzieren.
00:15:08: Das geht bei PacBio nicht.
00:15:09: Da ist so zwanzig KB ungefähr das Maximum.
00:15:12: Auch da ist wieder die Frage, manchmal braucht man wirklich die superlangen Fragmente.
00:15:17: Manchmal reicht es, ein bisschen kürzere zu haben, aber eine höhere Genauigkeit.
00:15:21: Also es ist immer eine Abwägung, was man braucht und was man machen möchte.
00:15:27: Jede Methode hat ja auch ihre Schwächen.
00:15:30: Was sind denn beim Long Read Sequencing die größten Herausforderungen?
00:15:35: Das ist eine gute Frage.
00:15:37: Ich würde sagen, im Moment ist tatsächlich noch eine Herausforderung der Preis und der Throughput.
00:15:45: Wir haben hier sehr viele Exome und Genome, die wir sequenzieren bei uns im Labor, sind ein sehr großes Labor.
00:15:54: Und wenn wir jetzt alles mit Long Read Sequencing zum Beispiel sequenzieren wollen würden, das wäre im Moment gar nicht zu bezahlen.
00:16:02: Das heißt, da muss nochmal ein großer Sprung passieren, dass die Preise runtergehen und die Maschinen vielleicht nochmal einen höheren Throughput anbieten.
00:16:11: Du hast den Kostenpunkt angesprochen, wie viel kostet es denn, eine Longn Read Sequenzierung durchzuführen?
00:16:18: Ja, das ist immer schwierig zu sagen.
00:16:20: Wir geben gar nicht so gerne wirklich Preise immer weg, weil das sich sehr unterscheidet.
00:16:26: In Deutschland und in Holland zum Beispiel haben wir unterschiedliche Preise.
00:16:28: Das kann man gar nicht so sagen.
00:16:31: Wenn man es aber vergleichen möchte, bei uns jetzt würde ein Long Read Genom im Moment so zwei bis drei Mal so viel kosten wie ein Short Read Genom.
00:16:38: Ich glaube, so kann man ganz gut schauen, was die Kosten noch sind.
00:16:43: Das heißt, wirklich alles über einen Long Read zu analysieren, wäre im Moment doch noch sehr, sehr teuer.
00:16:51: Wo wir allerdings noch einen riesen Vorteil sehen, und das haben wir bei Short Read Sequencing nicht ganz geschafft, ist, wenn man sich überlegt, so ein großes Labor wie wir das hier sind, und das wird nicht bei allen anderen Laboren sein, aber wir haben noch mindestens zehn verschiedene Tests laufen im Moment in der genetischen Diagnostik.
00:17:11: Dann sprechen wir über Genome und Exome natürlich, aber auch MLPA, Sanger, Sequenzierung, Karyotypisierung, Array und und und.
00:17:21: Wo wir hin möchten, ist eigentlich, dass wir irgendwann wirklich einen Test haben für alles.
00:17:28: Und da haben wir beim Short Read Sequencing gedacht, das wäre unser Test.
00:17:33: Da möchten wir hin.
00:17:35: Und da haben wir auch Studien zu publiziert, die leider gesagt haben, wir schaffen das nicht.
00:17:39: Es gibt dann immer noch zu viele Varianten, die wir mit dem Short Read Genome Sequencing nicht detektieren können.
00:17:45: Und jetzt mit dem Long Read Sequencing sieht das aber anders aus, so dass wir tatsächlich denken, dass Long Read Sequencing die eine Technologie sein wird in der Zukunft, in der Diagnostik.
00:17:59: Ich bin gespannt, wenn wir zum Beispiel in zehn Jahren noch mal reden würden, ob es dann auch noch Long Read Sequencing tatsächlich ist oder ob es dann so ist wie mit Short Read, dass es dann was anderes gibt, was noch mehr Daten liefert und noch genauer ist.
00:18:11: Das ist eine gute Frage.
00:18:13: Ich persönlich denke im Moment, dass nach dem Long Read Sequencing nicht mehr so viel kommen wird, weil wir tatsächlich dann noch sehr viel damit können.
00:18:21: Also vielleicht werden die Reads noch mal länger, vielleicht wird es noch mal schneller.
00:18:27: Aber ich glaube nicht, dass die Technik sich noch mal komplett ändern wird.
00:18:31: Ich glaube, dass wir tatsächlich irgendwann das sequenzieren können und dann müssen wir wirklich noch mal an der Interpretation arbeiten, weil da fehlt uns doch noch sehr viel.
00:18:38: Da müssen wir noch sehr viel lernen.
00:18:41: Kornelia, wir haben jetzt viel darüber geredet, wie es in der Theorie funktioniert und mich interessiert natürlich total, wie der praktischer Einsatz aussieht.
00:18:49: Wie ist das bei euch in Nijmegen?
00:18:51: Wo setzt ihr die Long Read Sequenzierung aktuell ein, gibt es ein Projekt, von dem du uns erzählen kannst?
00:18:59: Ja, tatsächlich gibt es hier mehrere große Projekte, die gerade laufen bzw.
00:19:05: gerade abgeschlossen sind.
00:19:08: Und zwar haben wir immer bei neuen Technologien eine bestimmte
00:19:12: Reihenfolge
00:19:13: wie neue Technologien getestet werden.
00:19:16: Das heißt, wir machen erst Proof of Principle Studien, dann eine technische Validierung und danach noch eine klinische Validierung.
00:19:23: Und
00:19:24: da haben wir als klinische Validierung, beziehungsweise eigentlich ist das ein Zwischending, auch technische Validierung, hundert Patienten gehabt vor Kurzem, die alle in der Short Read Genome Sequenzierung sequenziert wurden, wo sich rausgestellt hat, dass Short Read Genome Sequenzen Schwierigkeiten hatte, die Varianten in diesen Patienten oder in diesen Proben zu finden.
00:19:47: Und diese Hundert Proben sind dann alle mit Long Reas Genome Sequencing analysiert.
00:19:52: Um zu gucken, ist die Technologie jetzt einfach in der Lage, diese Varianten zu finden.
00:19:58: Da hat sich dann rausgestellt, dass einige Varianten schwierig zu detektieren waren mit Short Read Genome Sequencing.
00:20:04: Und genau diese Proben sind dann selektiert worden, um mit Long Read Genome Sequencing zu analysieren.
00:20:10: Und da hat sich rausgestellt, dass 83 Prozent der Varianten sofort ohne jede Probleme automatisch detektiert wurden.
00:20:17: Das war schon mal ein Riesenfortschritt.
00:20:20: Und dann waren da noch mal zehn Prozent der Varianten, die man entweder visuell gut gesehen hat in den Daten oder wo man vielleicht in der Software noch mal eine kleine Einstellung verändern musste, ein bisschen mit Tipps und Tricks, ein bisschen rumgespielt hat und auch die Varianten dann noch detektieren konnte.
00:20:37: Das heißt, das kriegen wir hin.
00:20:38: Das ist jetzt noch nicht automatisch, aber das können wir lösen.
00:20:41: Das heißt, von dreiundneunzig Prozent, die wirklich schwierig waren mit Short Read Genome Sequencing, ja, haben wir jetzt gute Daten mit Long Read Genome Sequencing.
00:20:50: Und dann gibt es natürlich immer noch Bereiche, wo wir noch ein bisschen Schwierigkeiten haben.
00:20:55: Und diese Studie, die war so erfolgreich, dass unser Management-Team gesagt hat, okay, das ist toll.
00:21:01: Wir bauen hier drauf auf und im Anschluss sind tatsächlich Tausend Genome sequenziert worden.
00:21:10: Und zwar sowohl mit der alten Technologie, also Standard of Care nennen wir das hier SOC und dann ist das immer das, was jeweils in der Diagnostik gerade benutzt wird.
00:21:23: Also es kann dann zum Beispiel ein Exome Sequencing sein, plus eine Chromsomenanalyse oder was auch immer die Diagnostik gerade machen würde.
00:21:30: Und alle diese tausend Proben sind parallel auch mit der Long Read Sequencing Technologie analysiert worden.
00:21:39: Und auch da kam sofort neunzig Prozent Konkordanz raus, also neunzig Prozent war absolut identisch.
00:21:47: Wobei bei Long Read Technologie wurde ein Test durchgeführt und die anderen hatten teilweise mehrere Tests, um zu den Ergebnissen zu kommen.
00:21:57: In drei Prozent der Fälle hat Long Read Genome Sequencing eine Variante gefunden, die die alten Technologien gar nicht gefunden hatten.
00:22:06: Das heißt, wir haben zusätzliche Diagnosen stellen können.
00:22:10: Und es gab auch, muss man dazu sagen, zwei Fälle, also 0,2 Prozent, in denen eine Variante nicht gefunden wurde.
00:22:18: Aber da gab es dann auch ganz gute Gründe vor, wie zum Beispiel ein Mosaik, wo dann die Coverage einfach nicht hoch genug war von dem Long Read Genome Sequencing.
00:22:26: Und alle anderen wurden analysiert und gefunden.
00:22:30: Und das ist jetzt tatsächlich der Grund, warum hier in Nijmegen das Management-Team beschlossen hat, Long Read Genome Sequencing in die Diagnostik einzuführen.
00:22:39: Das heißt, wir werden dieses Jahr mit der Diagnostik hier beginnen.
00:22:43: Also mal ganz ehrlich, würdest du denn überhaupt noch Short Sequencing verwenden?
00:22:47: Ich habe schon lange die Daten gesehen und ich sag immer, also Exom sowieso nicht.
00:22:52: Aber auch in Short Read Genome würde ich selber nicht mehr machen wollen, wenn ich die Wahl hätte.
00:22:57: Einfach, weil da eben so viel verloren geht an Infos, weil man eben nicht nur die proteinkodierenden Bereiche sich anguckt.
00:23:04: Ja, aber auch, weil die Daten einfach viel schöner sind, viel sauberer, einfacher zu analysieren.
00:23:09: Bin mir bewusst, dass wir uns hier sehr weit aus dem Fenster lehnen, weil wie gesagt, wir sind ein sehr großes Laboratorium.
00:23:16: Und ja, muss natürlich ein bisschen vorsichtig sein, weil ich weiß, dass viele andere Labore das nicht können.
00:23:22: Das heißt, es wird durchaus noch Short Read Genome Sequencing geben für eine Weile.
00:23:26: Technisch gesehen, qualitativ gesehen ist Long Read Sequencing doch bei Weitem besser.
00:23:33: Kornelia hatte mir im Vorfeld erzählt, dass sie bei einem Hackathon mitgemacht hat, bei dem auch beide Methoden zum Einsatz kamen über die wir schon gesprochen haben, also Optical Genome Mapping und Long Read Sequencing.
00:23:46: Nimm uns doch mal mit, wie lief dieser Hackathon ab und worum ging es genau?
00:23:52: Das war ein ganz tolles Event.
00:23:54: Das war im Juni, hier durchgeführt
00:23:59: in Nijmegen.
00:24:00: Und zwar habe ich ja ganz am Anfang erzählt, dass wir immer noch sehr viele Patienten haben, bei denen wir die genetische Ursache der Erkrankung nicht finden können.
00:24:13: Und jetzt haben wir uns überlegt, dass wir da ja wirklich was dran ändern müssen.
00:24:18: Und diese Hackathon-Events sind jetzt eine relativ neue Analyseart, wir können mit ganz vielen Leuten zusammenprobieren, ob wir doch eine Diagnose finden können.
00:24:30: Der erste Hackathon-Event hat ein Jahr vorher schon stattgefunden in Schweden und da war unsere Chefin, die Institutsleiterin Dr.
00:24:39: Wendy van Zeslt-Stams, dabei.
00:24:42: Und die fand das so toll, die hat gesagt, das müssen wir auch machen.
00:24:45: Deswegen hatten wir das letztes Jahr hier in Nijmegen.
00:24:48: Und hierfür sind hundertzweiundzwanzig Wissenschaftler aus achtundzwanzig Ländern nach Nijmegen gekommen.
00:24:57: Und wir haben hier vor Ort zusammen die Daten von zweiundvierzig Patienten analysiert.
00:25:05: Jetzt haben wir für sechzehn von den Patienten die Daten vorher schon gehabt.
00:25:10: Für die anderen sechsundzwanzig Patienten haben wir Daten neu generiert in den zwei bis drei Monaten vorher, und zwar alles, was wir konnten.
00:25:18: Wir haben Exome gemacht, wir haben Short Read Genome gemacht, wir haben Long Read Genome gemacht, Transkriptome und Optical Genome Mapping.
00:25:28: Das heißt, wir hatten alle neuesten Technologien hier.
00:25:32: Und was auch ganz besonders war, dass die Leute von allen möglichen Disziplinen kamen.
00:25:39: Es waren Ärzte, Wissenschaftler,
00:25:42: Informatiker, Leute, die für Firmen gearbeitet haben, die zum Beispiel Software entwickeln, Leute, die sich mit künstlicher Intelligenz auskennen.
00:25:50: Also von ganz verschiedenen Disziplinen sind die zusammengekommen, um die ganz verschiedenen Datentypen der Patienten vor Ort zu analysieren.
00:25:59: Und das war eine wahnsinns Stimmung hier.
00:26:02: Die Leute waren so hoch motiviert, dass sie überhaupt nicht mehr aufgehört haben zu arbeiten.
00:26:06: Sie sind in den Kaffeepausen, Mittagspause, alles ... nicht gemacht, einfach weitergearbeitet.
00:26:13: Und wir haben tatsächlich innerhalb von achtundvierzig Stunden für zehn von den zweiundvierzig Patienten eine Diagnose geben können.
00:26:19: Und zwar unmittelbar.
00:26:22: Und was auch ganz toll war, ist, dass ich glaube, sechs der Familien auch hier vor Ort waren mit ihren kranken Kindern.
00:26:29: Das heißt, die haben uns am Anfang auch noch mal erzählt, ja, wie es ihnen so geht, dass sie nicht wissen, was für eine Krankheit ihr Kind hat, was das für sie bedeutet im Alltag.
00:26:39: Und ja, einige dieser Familien haben tatsächlich nach achtundvierzig Stunden dann eine Diagnose bekommen.
00:26:46: Ganz wichtige Veranstaltungen, ich finde, das zeigt auch noch mal sehr schön, dass die verschiedenen Technologien nebeneinander funktionieren.
00:26:54: Also, dass es nicht die eine gibt, sondern verschiedene und dass die zusammen dann das große Ganze ergeben.
00:27:02: Genau, die ergänzen sich wunderbar.
00:27:03: Gerade Long Read Genome Sequencing und Optical Genome Mapping sind sehr komplementär und man kann sie wunderbar zusammen benutzen.
00:27:10: Aber auch das interdisziplinäre, international und interdisziplinär, weil Menschen doch ganz unterschiedliche Herangehensweisen haben, wie man an etwas herangeht und wir können so viel voneinander lernen.
00:27:23: Sowohl was die neuen Technologien angeht, aber auch einfach wie andere Leute arbeiten.
00:27:27: Und ich glaube, da müssen wir auch immer mehr Gebrauch von machen.
00:27:32: Ich habe zum Abschluss noch eine Frage.
00:27:34: Was wünschst du dir für die nächsten Jahre in der Forschung und Diagnostik mit Long Read Sequencing?
00:27:39: Was denkst du?
00:27:40: Was wird uns erwarten?
00:27:42: Ja, das ist eine gute Frage.
00:27:45: Ich denke, dass sich technologisch irgendwann nicht mehr so viel tun wird, dass wir technologisch die DNA lesen können.
00:27:54: Ich glaube, dass wir aber noch wahnsinnig viel arbeiten müssen an der Interpetation der DNA.
00:28:00: Wir haben ja achtundneunzig Prozent unseres Genomes, das nicht kodierend ist.
00:28:06: Was wir leider zum Großteil immer noch ignorieren, sag ich mal, weil wir es einfach nicht interpretieren können.
00:28:12: Wir müssen hier wahnsinnig viel lernen und ich glaube, dass hier noch sehr, sehr viel zu holen ist.
00:28:18: Da sind zum Beispiel letztens RNU-Gene identifiziert worden.
00:28:22: Das sind Non-Coding-RNAs.
00:28:25: Da hat man früher gar nicht nach geguckt, weil wir die gar nicht kannten oder wussten, was sie eigentlich tun.
00:28:30: Und auf einmal gibt es hunderte Patienten mit Varianten da drin.
00:28:33: Das sind jetzt in den letzten anderthalb Jahren sehr viel publiziert worden, Nature Publikationen.
00:28:41: Und das zeigt uns einfach, wie wichtig es ist, außerhalb der Gene zu gucken, um das Verständnis zu erhöhen, was passiert eigentlich in unserem Genomen, in unserer DNA?
00:28:53: Und das ultimative Ziel natürlich auch hier ist dann, wieder einfach die restlichen Prozent zu finden.
00:28:58: Das heißt, wir wollen letztendlich natürlich allen Patienten eine Diagnose geben können, weil die Diagnose ist so wichtig für den Alltag der Patienten.
00:29:06: Für die Entwicklung einer möglichen Therapie.
00:29:10: Für all diese Sachen braucht man eine Diagnose und ja, ich glaube, das ist unser höchstes Ziel, dass wir hier wirklich dran arbeiten müssen, um das zu verbessern.
00:29:19: Wir sind am Ende angelangt von unserem Gespräch.
00:29:21: Ich danke dir ganz, ganz herzlich für deine Zeit und dass du uns so tolle Einblicke in deine Arbeit und in die vielversprechende neuen Technologien gegeben hast.
00:29:31: Ganz herzlichen Dank.
00:29:32: Gerne.
00:29:33: Es hat mich sehr gefreut, hier zu sein.
00:29:36: Das war der Code des Lebens, produziert von GHGA, dem Deutschen Humangenom Phänomarchiv.
00:29:42: Schön, dass ihr dabei wart.
00:29:43: Und ich freue mich, wenn ihr auch beim nächsten Mal wieder rein hört.
00:29:46: