Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Stell dir mal vor, du möchtest ein Buch nicht Wort für Wort lesen, sondern dir erst mal ganz genau anschauen, ob Seiten fehlen, ob die Kapitel richtig sortiert sind, ob vielleicht ein Knick in einer Seite ist oder ob sich etwas doppelt. So ähnlich funktioniert Optical Genome Mapping, nur eben nicht beim Buch, sondern beim menschlichen Erbgut. Optical Genome Mapping, die Abkürzung ist OGM, das ist eine Methode, mit der sich große strukturelle Veränderungen im Erbgut sichtbar machen lassen. Also zum Beispiel, wenn ein Stück DNA fehlt, wenn es doppelt vorkommt oder an der falschen Stelle sitzt. Solche Veränderungen spielen bei vielen genetischen Erkrankungen eine Rolle, werden mit klassischen Methoden aber oft übersehen. Was OGM genau kann, wo es heute schon eingesetzt wird und warum es in der Diagnostik so spannend ist, darüber spreche ich heute mit Dr. Cornelia Neveling. Sie bringt jede Menge Erfahrung mit und ist eine echte Expertin auf diesem Gebiet. Ihr hört den Code des Lebens und jeden Monat gibt es hier spannende Gespräche mit Experten aus der Genomforschung. Ich bin Johanna Stegmann und als Erstes wollte ich von Cornelia Neveling wissen, wie sie eigentlich zur Humangenetik gekommen ist.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Also, ich bin Biologin, das heißt, ich habe ganz klassisch Diplombiologie studiert in Düsseldorf und nach dem Studium bin ich nach Würzburg gegangen und habe in der Humangenetik promoviert. Also die Diplomarbeit habe ich in der Virologie gemacht damals und habe über die Virologie Kontakt zur Humangenetik bekommen und ja, muss einfach sagen, dass mich die Humangenetik damals schon total fasziniert hat. Ich habe da an einer Krankheit gearbeitet, die heißt Fanconi-Anämie. Das ist eine Krankheit, da sind oft Kinder wirklich sehr schwer betroffen, eine seltene aber sehr schwere Erkrankung und ja, es hat mich von vornherein sehr fasziniert, dass wir mit unserer Arbeit wirklich einen Beitrag leisten können, um die Diagnostik dieser Patienten zu verbessern. Und ja, so habe ich meine Liebe zur Humangenetik entdeckt und nach der Promotion habe ich mich dann umgeschaut nach einer Post-Doc-Stelle. Ich habe ein bisschen gesucht im europäischen Ausland und so bin ich dann in die Niederlande gekommen, wo ich jetzt immer noch arbeite. Am Institut für Humangenetik im Radboud UMC, UMC steht hierbei für University Medical Center. Das ist also ein Universitätskrankenhaus in Nijmegen in den Niederlanden.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Wie kann ich mit einem typischen Arbeitsalltag bei dir vorstellen? Gibt es vielleicht auch einen Teil, den du besonders gerne machst?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Ja, das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Wenn ich jetzt ganz schnell antworten würde, würde ich sagen, der typische Arbeitsalltag ist tatsächlich Computerarbeit. Aber so einfach ist das natürlich nicht. Ich arbeite in einer Gruppe hier, die nennt sich Translational Genomics. Wir sind offiziell in der Diagnostik angestellt, aber haben so eine Art Brückenfunktion zwischen der Forschung und der Diagnostik. Das heißt, wir schauen immer ganz genau, was in der Forschung gerade passiert mit neuen Technologien. Und wir schauen immer, ob wir mit diesen neuen Technologien die laufende Diagnostik verbessern können. Und das ist, wo ich wirklich jeden Tag dran arbeite. Das heißt, ich habe Leute im Labor, die die Laborarbeit machen und die Daten hinterher, die werte ich dann aus zusammen mit meinen Kollegen. Und dann schauen wir, ob die Technologie sich eignet für die Diagnostik oder ob wir vielleicht noch Sachen anpassen müssen, sodass wir hinterher eine verbesserte Diagnostik für Patienten anbieten können.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Ich finde, das hört sich auch sehr sinnstiftend an. Also, dass man an aktuellen Problemen arbeitet von realen Menschen.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Ja, absolut. Das ist sehr dankbar, weil wir uns auf Fälle konzentrieren, in denen wir im Moment noch keine Diagnostik anbieten können, da wir leider immer noch für ungefähr 50 Prozent der genetischen Diagnosen gar keine Diagnose finden können in den Genen oder die pathogenen Varianten nicht finden. Und das wollen wir natürlich unbedingt ändern. Und da ist wirklich die Motivation riesengroß, zu suchen. Okay, warum finden wir das nicht? Was ist die Ursache in diesen Patienten? Wir sagen gerne, dass wir hier puzzeln. Also, ich glaube, jeder, der gerne Puzzle macht und versucht, irgendwelche Sachen zu lösen, der wird hier Spaß an der Arbeit haben.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Bevor wir über Optical Genome Mapping sprechen, müssen wir einen kleinen Schritt zurückgehen, und zwar zur Unterscheidung zwischen Zytogenetik und Molekulargenetik. Kornelia, kannst du uns kurz erklären, worin der Unterschied liegt?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Optical Genome Mapping ist eine sogenannte zytogenetische Methode. Das heißt, das ist ein Teilbereich der Humangenetik, wo man sich die Anzahl und die Struktur der Chromosomen anschaut. Und da kann man schon einiges daran erkennen, ob zum Beispiel überhaupt alle Chromosomen vorhanden sind. Oder gibt es vielleicht große strukturelle Abweichungen innerhalb von einem Chromosom. Und das ist ganz grob gesagt, was die Zytogenetik macht. Und die Molekulargenetik, die zoomt dann ganz weit rein und guckt sich wirklich mehr auf Nukleotidebene die Veränderungen an. Das ist zum Beispiel das Sequenzieren, wo wir uns wirklich die einzelnen Bausteine unserer DNA anschauen. Wir haben ja die vier Buchstaben, A, C, G und T. Und da kann man ganz, ganz im Detail reingehen und sich in einzelnen Buchstaben anschauen.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Also eigentlich auch zwei Arten, die sich sehr gut ergänzen, ne?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Genau, so kann man sich das vorstellen. Und jetzt mit den neuen Technologien, die sich immer weiterentwickeln, wachsen eigentlich auch diese zwei getrennten Teile der Humangenetik immer weiter zusammen, sodass wir die vielleicht irgendwann gar nicht mehr voneinander unterscheiden müssen. Das werden wir sehen. Aber Optical Genome Mapping ist zum Beispiel schon so etwas, wo wir auf Chromosomen Ebene schauen, aber eine so viel höhere Resolution haben, dass wir immer weiter uns der Nukleotidebene annähern können. Wenn man sich die klassische Chromosomenanalyse anschaut, und dann muss man sich vorstellen, dass wirklich ein Zytogenetiker am Mikroskop sitzt, durchs Mikroskop schaut und sich die Chromosomen anschaut, dann können diese Menschen, die sind da sehr trainiert, wirklich anhand der Chromosomen sagen, um welches Chromosom es sich handelt und ob hier vielleicht irgendeine Strukturabweichungen vorliegt. Das kann ich zum Beispiel nicht. Ich bin in der Molekulargenetik ausgewachsen, sag ich mal, in der Zytogenetik. Aber da müssen die Abweichungen oder Veränderungen schon relativ groß sein, dass man die überhaupt sehen kann mit dem Auge. Und dann müssen wir uns überlegen, das sind Abweichungen, die oft fünf Megabasen groß oder noch größer sind, so dass sie überhaupt mit dem Auge detektierbar sind.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Also eine ganz schöne Menge.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Ist schon ganz schön groß, genau. Und Optical Genome Mapping ist wirklich sehr ähnlich. Wir nennen es manchmal auch Digital Karyotypisierung, kann aber schon Veränderungen ab 500 Basenpaaren sehen. Das heißt, wir haben eine Zehntausendfach höhere Auflösung von Optical Genome Mapping verglichen zur klassischen Karyotypisierung.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Optical Genome Mapping ist also eine Technologie, die eine Lücke zwischen Zytogenetik und Molekulargenetik schließt. Sie macht sehr lange DNA-Moleküle sichtbar und zeigt strukturelle Veränderungen in sehr hoher Auflösung. Also keine Tippfehler, aber auch keine bloße Mikroskop-Aufnahme, sondern eher so etwas wie eine optische Landkarte unseres Genoms. Wie läuft so eine Analyse eigentlich konkret ab? Nehmen wir einen Patienten, er gibt eine Blutprobe ab und dann, wie geht es weiter im Labor, bis man die Ergebnisse hat?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Du hast schon recht, wir fangen in der Regel mit Blut an oder eben einer Zellkultur, das geht auch. Und dann müssen wir erstmal DNA aus diesen Zellen isolieren. Und das ist schon mal ein ganz wichtiger Punkt. Wir können keine DNA benutzen, die schon vorher für andere Technologien isoliert wurde, weil die herkömmlichen DNA-Isolationstechniken, die im Moment gebraucht werden in verschiedenen Laboratorien, immer dazu führen, dass die DNA relativ kurze Fragmente aufweist. Die ist zu sehr degradiert, sagen wir da. Das heißt, wir haben für diese Methode eine neue DNA-Isolationstechnologie. Und das ist der wichtigste Aspekt dieser Technologie, dass wir die superlangen DNA-Fragmente isolieren können. Und das kann man wirklich sehen.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Diese superlangen DNA-Fragmente, wie kann ich mir die vorstellen?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das ist wie ein kleines schleimiges Gebilde, sag ich mal. Und mit dieser DNA arbeiten wir dann weiter. Wenn wir die langen DNA-Stränge isoliert haben, dann müssen wir die an bestimmten Stellen im Genom markieren. Die DNA-Fragmente, die jetzt in bestimmten Abständen einen Farbstoff daran hängen haben, die laden wir dann auf einen Chip. Und den Chip setzen wir in die Maschine. Das ist so ein kleiner, ungefähr ein mal ein Zentimeter großer Chip.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Also sieht gar nicht so spektakulär aus für das, was da passiert.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Genau, ist das eine ganz einfache Methode eigentlich. Auf diesem Chip befinden sich Kanäle, die sind eingefräst, kann man sagen. Das sind ganz dünne, lange Nanokanäle. Und die DNA-Fragmente, die wir isoliert haben, die werden jetzt durch eine Maschine, wo der Chip analysiert wird, in diese Nanokanäle geleitet. Und dann kann man sich das so vorstellen, ich habe diesen langen Kanal und in jedem Kanal ein DNA-Molekül mit diesen Farbstoffen. Und dann haben wir eine Kamera und ein Laser, die detektieren die Farbstoffe, machen Fotos davon. Und dann haben wir etwas, das sieht aus wie ein 2D-Barcode aus dem Supermarkt. Das heißt, ein langes DNA-Fragment mit in unregelmäßigen Abständen darauf ein Signal.
Johanna Stegmann: Ihr setzt das ja am Ende wieder zusammen, oder?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Genau.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Wie macht man das? Also wie, woher weiß man dann jetzt, dass dieses Puzzleteil zu dem anderen Puzzleteil gehört, um zu deiner Analogie zu kommen von vorhin, dass ihr Puzzler seid?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das kann man sich so vorstellen, dass, ich habe vorhin gesagt, die DNA wird in diesen Nanokanal geleitet, dann machen wir ein Foto davon und dann geht es an der anderen Seite wieder raus und dann wird das nächste Stück DNA in den Nanokanal geleitet und da wird auch wieder ein Foto von gemacht. Und das lassen wir mehrere Stunden laufen, sodass wir hinterher das ganze Genom auf diese Weise fotografiert haben und diese langen Stücke überlappen immer wieder, die wir fotografiert haben. Und das können wir aufgrund des Musters des Abstandes dieser fluoreszierenden Farbstoffe erkennen, dass Stücke überlappen und dann können wir tatsächlich fast das ganze Chromosom auf diese Weise zusammensetzen.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Also, OGM arbeitet nicht mit kurzen DNA-Stücken wie viele Sequenziertechnologien, sondern mit extrem langen DNA-Molekülen, die können über 100.000 Basen lang sein. Und diese Moleküle werden mit fluoreszierenden Markierungen versehen, also kleinen Leuchtpunkten, die an bestimmte DNA-Motive binden. Die markierten Stränge werden dann in winzigen Kanälen ausgerichtet und mit einem speziellen Mikroskop abgebildet. So entsteht eine Art optische Karte des Genoms, daher auch der Name Optical Genome Mapping. Und das geht inzwischen ziemlich schnell.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das hängt ein bisschen davon ab, wie viele Daten wir brauchen. Das ist das Schöne an der Technologie. Wir sind sehr flexibel. Wir können zum Beispiel, wenn wir mehr Daten haben wollen, die Maschine einfach länger laufen lassen. Maximum ist im Moment 65 Stunden. Das machen wir aber nicht so oft. Aber dann kann man wirklich dadurch später eine sehr hohe Coverage bekommen, was für manche Tumor-Samples zum Beispiel sehr wichtig ist.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Du hast ja vorhin gesagt, dass man am Ende dann wie so einen Strichcode oder einen Barcode rausbekommt und darauf markiert sind dann die Leuchtpunkte mit der bestimmten Abfolge. Woher weiß ich, was sich zwischendrin verbirgt?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das ist eine sehr gute und sehr wichtige Frage, denn genau das wissen wir nicht. Und das ist genau wieder der Unterschied zwischen der molekulargenetischen Technik und der zytogenetischen Technik. Wir können sagen, wir haben an bestimmten Stellen zum Beispiel eine Insertion oder eine Deletion, also ein Stück zu viel oder ein Stück zu wenig. Das können wir erkennen, wenn zum Beispiel zwei von diesen fluoreszierenden Farbstoffen, die normalerweise immer einen bestimmten Abstand hätten, und wenn der Abstand jetzt größer ist, als erwartet oder kleiner ist, als erwartet, dann können wir sagen, hier haben wir ein Stück zu viel oder ein Stück zu wenig. Wir können aber leider nicht sagen, was es ist, was zu viel oder zu wenig ist. Und wenn wir das wirklich wissen möchten oder müssen, dann müssen wir tatsächlich noch einmal hinterher sequenzieren, um diese Information zu bekommen. Was wir aber generell machen können, ist, wir haben ein Referenzgenom, mit dem wir immer vergleichen. Das heißt, wenn wir die Daten produziert haben für einen Patienten, werden die Daten und dann mein ich da speziell die Abfolge dieser Label, der Abstand und das Muster davon, verglichen mit Abstand und Muster von einer Referenz.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Und je nachdem, wie stark die Unterschiede sind, guckt man dann eben genauer hin?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Wir schauen dann bei den Unterschieden noch mal in einer Kontrollpopulation, ob diese Unterschiede vielleicht ziemlich oft vorkommen. Dann sind die für uns weniger interessant. Aber wenn wir einen Unterschied finden, der vielleicht noch nie beschrieben wurde, dann ist das etwas, was wir uns genauer anschauen müssen.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Du hast ja gerade eben schon angesprochen, dass Optical Genome Mapping, dass das vor allem große strukturelle Varianten erkennt. Also, ich glaube, es waren 500 Basenpaare, bis zu mehreren Megabasen. Kannst du nochmal zusammenfassen, wo liegen die besonderen Stärken vom Optical Genome Mapping und wo sind auch die Grenzen?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Da gibt es durchaus Verschiedene. Die Stärke des Optical Genome Mapping ist wirklich, dass wir diese wahnsinnig langen DNA-Fragmente haben, die uns ermöglichen, sehr komplexe Abweichungen im Genom zu detektieren. Das heißt, es gibt tatsächlich noch Abweichungen, die man auch mit Next Generation Sequencing noch nicht gut detektieren kann, weil die einfach so groß sind. Und die Länge der Chromosomen, die Länge der langen DNA-Fragmente ermöglicht uns, über diese großen komplexen Abweichungen hinweg zu analysieren und diese viel einfacher zu detektieren. Dann arbeiten wir mit nativen DNA-Molekülen. Das heißt, die DNA ist nicht vorbehandelt im Sinne einer PCR zum Beispiel, was man oft bei der Sequenzierung macht. So eine Vorbehandlung kann auch noch mal einen BIAS kreieren. In der Datenanalyse gibt es zum Beispiel Bereiche im Genom, die sehr homolog sind zum Beispiel oder sehr G-C-reich sind.
Johanna Stegmann: Was ist G-C-reich? Muss ich kurz einhaken.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das ist gut. Wir haben ja die vier Buchstaben A, C, G und T. Wir haben die vier Bausteine unserer DNA und Regionen, wo sehr viel Gs und Cs vorkommen, die sind schwierig zu analysieren, weil Polymerasen oft Schwierigkeiten haben, über so einen langen Stretch von Gs und Cs hinweg zu laufen. Ähnlich ist es bei Repeats. Es gibt immer wieder C, A, T, C, A, T, C, A, T und dann tausendmal hintereinander. Dann kriegen die Polymerasen manchmal Probleme, dann fangen die an zu stottern, wissen nicht mehr, wie viel hatte ich jetzt eigentlich. Und das introduziert Fehler, die wir hinterher in unseren Daten sehen und wo wir nicht wissen, ist das jetzt durch die Polymerase eingebaut oder liegt das wirklich in der Zelle so vor. Und Optical Genome Mapping hat diese Probleme nicht. Es kommt über alle schwierigen Regionen des Genoms einfach so hinweg. Einen weiteren Vorteil, den wir haben, wir können sehr tief analysieren. Das heißt, wir können sehr viele Moleküle analysieren von den Daten, viel mehr als beim Next Generation Sequencing. Und das braucht man dann zum Beispiel, wenn man sich sogenannte somatische Varianten anschaut. Und da denke ich zum Beispiel an Tumorerkrankungen. Bei Tumorerkrankungen ist es nicht immer so, dass eine genetische Veränderung in der Keimbahn vorliegt, sondern es gibt auch klonale Abweichungen, die nur in bestimmten Zelltypen zum Beispiel vorliegen. Das heißt, ich muss ganz, ganz tief sequenzieren, sagen wir, bzw. analysieren beim Optical Genome Mapping, um eine bestimmte Variante überhaupt sehen zu können. Das heißt, wenn man sich zum Beispiel vorstellt, wir haben eine Tumorerkrankung im Blut und wir haben ja verschiedene Zellen im Blut vorliegen. Ganz viele verschiedene Zelltypen. Und wenn jetzt wirklich nur einer dieser Zelltypen eine bestimmte Veränderung aufweist, die anderen aber alle nicht, dann wird es schwierig, diese Veränderung zu sehen in all den verschiedenen Zelltypen, die wir haben. Weil wirklich nur ein ganz kleiner Prozentsatz unserer Zellen diese Veränderung aufweist.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Also ist es mit viel Glück verbunden, dass man das findet oder eben nicht?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Mit Glück nicht, sondern wir müssten wirklich die Technologie von Anfang an so konzipieren, dass wir sagen, wir müssen ganz, ganz viele Daten produzieren, um diese Veränderung sehen zu können. Es reicht also nicht, die Stelle einmal gelesen zu haben, wir müssen die gleiche Stelle 100 Mal oder 1000 Mal oder vielleicht 10.000 Mal die gleiche Stelle lesen, um diese Varianten detektieren zu können. Und das geht mit Optical Genome Mapping viel einfacher als mit Next-Generation-Sequencing.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Ein Begriff, der beim Optical Genome Mapping immer wieder fällt, ist der Circos Plot. Auf den ersten Blick sieht er fast aus wie moderne Kunst, außen ein Ring mit bunten Segmenten, innen ein Wirrwarr aus Linien, Balken und Bögen. Doch was aussieht wie ein Mandala, ist eigentlich eine hochdichte kreisförmige Darstellung aller Chromosom und der Veränderungen, die darin entdeckt wurden. Kornelia hat uns einen solchen Plot mitgebracht. Ihr, liebe Hörerinnen und Hörer, findet ihn in den Shownotes. Öffnet ihn am besten parallel, denn Kornelia erklärt uns jetzt, was das genau ist und welche Geheimnisse sich dahinter verbergen.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Ich habe ja vorhin erzählt, dass wir Fotos machen von den DNA-Strängen, die mit dem fluoreszierenden Protein markiert wurden. Diese DNA-Stränge werden hinterher wieder zusammengesetzt. Das wird verglichen mit einer sogenannten Referenzsequenz, also von einer Kontrolle, wo das vorher auch schon gemacht wurde, um zu schauen, ob wir Unterschiede sehen zwischen dem Patienten und der Referenz, wie das im normalen gesunden Genom vorliegen würde. Das schauen wir uns per Chromosom an. Das machen wir mit einer Software von der Firma bionano. Diese Software gibt uns die Möglichkeit, ein grafisches Output dieser Daten anzuschauen. Das machen wir mit Hilfe des sogenannten Circos Plot. Das kann man sich vorstellen wie einen Kreis, in dem alle 24 Chromosomen, also die 22 Autosomen plus die Geschlechtschromosomen, im Kreis angeordnet sind. Das heißt, oben rechts haben wir Chromosom 1, daneben Chromosom 2, Chromosom 3 und so weiter. Jetzt haben wir bei jedem Chromosom mehrere Fächer oder Bereiche darunter und jeder dieser Bereiche steht für einen bestimmten Algorithmus. Die Software arbeitet mit verschiedenen Algorithmen, die sowohl strukturelle Varianten als auch Copy Number Varianten detektieren kann.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Wenn wir von strukturellen Varianten sprechen, geht es um größere Umbauten im Erbgut. Also zum Beispiel, wenn ein Stück DNA fehlt, verdoppelt wurde, vertauscht ist oder an einer anderen Stelle ist. Copy Number Varianten sind eine spezielle Form davon. Hier geht es nur darum, wie oft ein bestimmter Abschnitt vorkommt, also ob etwas fehlt oder zu oft da ist. Die Position bleibt dabei aber gleich.
Dr. Kornelia Neveling: Da drunter haben wir jetzt einen Bereich, da sehen wir Punkte, und zwar Orangen, grüne Punkte, blaue Punkte. Jeder dieser Punkte steht für eine strukturelle Veränderung. Und die verschiedenen Farben, das ist ein Farbcode, der steht für die Art der strukturellen Veränderung. Es gibt zum Beispiel Deletionen, wo ein Stück Chromosom fehlt. Es gibt Insertionen, wo ein Stück Chromosom zu viel ist. Es gibt auch Duplikationen, da sind Stücke dupliziert, wie der Name schon sagt. Oder Inversionen, wo Stücke umgedreht sind. Und je nach Farbe kann ich hier jetzt erkennen, um welche Art von struktureller Veränderung es sich handelt. Und die kann ich mir tatsächlich dann auch genauer anschauen. Das ist eine interaktive Karte, die man hier sieht. Das heißt, ich kann auf jeden dieser Punkte klicken und mir dann im Detail anschauen. Was man manchmal auch sieht, ist, dass es zum Beispiel Linien gibt, die mitten durch das Loch durchgehen in der Mitte. Zum Beispiel von Chromosom 3 zu Chromosom 14. Und das wäre dann eine interchromosomale Translokation. Wo jetzt zum Beispiel das Chromosom 3 mit dem Chromosom 14 verbunden wäre.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Was heißt verbunden wäre? Also, wie kann ich mir das praktisch vorstellen?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das kann man sich am besten vorstellen, wenn man sich überlegt, wie die Chromosomen aussehen. Die sind ungefähr vergleichbar mit einem X, mit einem kleinen Knubbel in der Mitte. Und haben dann die Chromosomen Arme, also den kurzen Arm und den langen Arm. Und die überlappen schon mal in der Zelle und können sich untereinander austauschen. Und jetzt kann es passieren, dass zum Beispiel ein Stück vom Chromosom 3 auf einmal nicht mehr auf dem Chromosom 3 sitzt, sondern auf dem Chromosom 14. Manchmal hat das gar keinen Verlust von genetischem Material zur Folge. Und sowas kann man sehen, wenn man durch das Mikroskop guckt. Aber wir können das hier auch ganz einfach sehen im Circos Plot. Das heißt, wenn ich diese Software jetzt öffne, sagt die Software mir sofort, ich habe hier einen Austausch zwischen zwei verschiedenen Chromosomen.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Wie schlägt sich Optical Genome Mapping eigentlich im Vergleich zu den klassischen Methoden der Zytogenetik?
Dr. Kornelia Neveling: Ich habe vorhin als zytogenetische Methode die klassische Karyotypisierung genannt. Aber es gibt noch weitere Methoden. Da ist zum Beispiel die FISH Analyse. Und das ist eine Methode, mit der man auch klassischerweise Translokationen detektieren kann. Mit der FISH Analyse kann man aber nur ganz gezielt, ganz spezifische Translokationen anschauen. Das heißt, ich muss vorher schon wissen, welche ich sehen möchte. Und dann kann ich schauen, ob diese Translokation, die ich sehen möchte, anwesend ist oder nicht. Und wenn ich stattdessen Optical Genome Mapping durchführe, dann sehe ich die alle. Da muss ich vorher nicht wissen, was ich suche, sondern ich kann einfach so schauen, was wir sehen. Dann gibt es noch eine dritte zytogenetische Technologie. Das ist die Array-Analyse. Mit der können wir sehen, ob es zu viel oder zu wenig von chromosomaler DNA irgendwo im Chromosom anwesend ist. Ich kann zum Beispiel auch sehen, auf Chromosom 3 ist ein kleines Stückchen, das auch dreimal anwesend ist. Aber es ist nur ein kleines Stück. Und die Array-Analyse sagt mir jetzt, von diesem kleinen Stück habe ich eine Kopie zu viel. Aber die Array-Analyse kann mir nicht sagen, wo sich dieses Stück befindet. Jetzt kann es so sein, dass es einfach eine sogenannte Tandem-Duplikation ist. Das heißt, sie befindet sich wirklich zweimal hintereinander, die gleiche Sequenz auf dem gleichen Chromosom. Es kann aber auch sein, dass dieses Stück in ein anderes Chromosom gehüpft ist. Das heißt, ich habe diesen Positionseffekt nicht.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Also wird Optical Genome Mapping langfristig die drei anderen genannten Techniken verdrängen, oder?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das ist genau, was wir denken und das ist, was wir auch schon durchführen. Wir haben seit Oktober 2024 Optical Genome Mapping in der Diagnostik laufen für Leukämien. Im Moment hauptsächlich für AML, die Akute Myeloische Leukämie. Und da ist es tatsächlich so, dass wir Optical Genome Mapping als einzigen Test durchführen. Das heißt, die Karyotypisierung, Array und FISH wird nicht mehr durchgeführt.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Bei welchen Erkrankungen leistet OGM bei euch noch gute Dienste?
Dr. Kornelia Neveling: Ja, da gibt es mehrere Möglichkeiten tatsächlich. Die Leukämien, das ist die Indikation, wo wir gesagt haben, hier werden wir die schnellsten und wichtigsten Erfolge haben. Und deswegen sind die Leukämien die Indikation, mit denen wir angefangen haben. Aber wir benutzen Optical Genome Mapping auch für Seltene Erkrankungen. Und hier muss man denken an Proben, die vorher in der Regel schon Next Generation Sequencing Analysen hatten. Also oft eine Exomanalyse oder auch eine Short-Read-Genome-Analyse und wo trotzdem nichts gefunden wurde. Und viele von denen werden dann anschließend nochmal über Optical Genome Mapping analysiert. Und tatsächlich in 10-15% der Proben können wir dann hier trotzdem noch eine pathogene Veränderung finden, die teilweise sogar mit einem Short-Read-Genome Sequencing nicht gefunden wurden.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Dafür muss man dann aber, wie ich gelernt habe, noch mal eine neue Probe nehmen, richtig? Weil du ja vorhin gesagt hattest, dass man das nicht verwenden kann vom Long-Read oder Short-Read Sequencing.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Genau. Und das ist einer der ganz großen Nachteile dieser Technologie. Wir haben viele Leute, die interessiert sind an Optical Genome-Mapping, die uns bestehende DNA-Proben schicken wollen. Wo wir dann leider sagen müssen, nein, das geht nicht. Wir brauchen frische Zellen, also Blut oder andere Zellen. Wenn das nicht möglich ist, können wir leider keinen Optical Genome Mapping anbieten. Also das ist wirklich ein ganz großer Nachteil.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Ich frage jetzt mal ganz naiv, warum ist das eigentlich so schwierig? Eine Blutentnahme ist doch eigentlich Routine.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das ist ein Standardprozess. Jetzt muss man sich aber vorstellen, dass viele Patienten ja schon oft beim Arzt waren und es einfach immer ein riesiger Schritt ist, noch mal zum Patienten zurückzugehen und sagen, wir brauchen noch mal eine Blutprobe. Gerade wenn es sich um Kinder handelt, versucht man das wirklich zu vermeiden, weil das ja doch eine invasive Prozedur ist.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Du hast uns auch einen konkreten Fall mitgebracht, wo Optical Genome Mapping tatsächlich den Unterschied gemacht hat. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Dr. Kornelia Neveling: Ja, gerne. Wir haben in den Niederlanden ein Paar gehabt, das bei uns in der Humangenetik gelandet ist, weil sie ein kleines Mädchen verloren haben an einem sogenannten ATRT-Tumor. Und es handelt sich hierbei um einen sehr seltenen, aber sehr aggressive Tumor des zentralen Nervensystems, also oft Hirntumore. Und diese Hirntumore sind bekannt, dass sie oft einhergehen mit Varianten in einem Gen, das nennt sich SMARCB1. Jetzt wurde dieses Gen sequenziert mit allen möglichen Techniken, die man zur Verfügung hatte, aber es wurde keine Mutation gefunden in diesem Gen.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Beim Kind?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Beim Kind. Genau, aber auch bei den Eltern, die wurden auch sequenziert. In der Regel ist eine der Varianten auch in der Keimbahn vorhanden und die hat man gesucht und die hat man nicht gefunden. Jetzt hat das Paar daraufhin einige Jahre später noch mal eine kleine Tochter bekommen. Man dachte, weil keine Keimbahnveränderung da war, zumindest hat man keine gefunden, dass das Risiko sehr niedrig ist, dass das nochmal passiert, aber leider ist es nochmal passiert. Und es ist eine zweite Tochter geboren worden und schon bei der Geburt stand fest, dass auch dieses kleine Baby einen Hirntumor hat und sie ist auch sehr früh verstorben. Und da kann man sich vorstellen, da war hier kein Halten mehr, das hat alle Leute so mitgenommen, dass wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um zu schauen, was ist hier los. Es wurden von der ganzen Familie Sanger-Sequenzierung gemacht von diesem Gen, es wurde eine MLPA-Analyse durchgeführt, Exom-Analyse, Short Genom-Analyse, RNA-Analyse. Und erst bei der RNA-Analyse hat man gesehen, dass es möglicherweise auf RNA einen Spleiß-Effekt gibt, aber der war auch nur ganz unterschwellig. Also das Spleißen ist das Schneiden der mRNA in die richtigen Stücke, das war nur ganz schwer zu sehen. Aber auf DNA-Niveau hat man wirklich nichts gefunden, was darauf hinweisen könnte, dass da irgendwas nicht stimmen könnte. Und das waren Kollegen von uns aus Utrecht, die vorher auch hier in Nijmegen gearbeitet haben, das heißt, wir kennen die Leute sehr gut und die haben uns angerufen, gesagt, könnt ihr nochmal mit eurer neuen Methode schauen, ob ihr noch was findet. Wir haben dann Optical Genome Mapping durchgeführt und wir haben tatsächlich in SMARCB1, also in diesem Gen, in einen der Introns eine Insertion gefunden, die tatsächlich dann Krankheitsverursachend war. Und das war ein sogenanntes Retrotransposon oder auch als Jumping Gene bezeichnet, was in dieses Intron gesprungen war oder was wir in diesem Intron gefunden haben. Und das sind so typische Sequenzen, die wahnsinnig schwierig zu sequenzieren sind mit kurzen Sequenzen, also mit der Short-Read-Analyse. Bei diesen Analysen hat man nicht sehen können, dass da etwas drinsaß, was die Krankheit verursacht hat. Unsere Kliniker haben sich dann wirklich getraut, auf Basis der Daten, die wir hatten, auch eine Pränataldiagnostik durchzuführen, das heißt, die Familie hat sich getraut, noch einmal schwanger zu werden. Sie haben mittlerweile einen gesunden Sohn, sind wahnsinnig dankbar und wahnsinnig glücklich und ja, Gott sei Dank, haben wir gefunden, was da in dieser Familie los war.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Wahnsinn, also durch was die Familie da durchgehen musste und was für eine Erleichterung das ist, ein gesundes Kind haben. Also da merkt man wirklich, das hat ja ein komplettes Leben von der Familie verändert.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Absolut.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Danke, dass du das Beispiel mitgebracht hast. Gerne. Kornelia, du engagierst dich ja auch in einem internationalen Konsortium für Optical Genome Mapping. Kannst du uns sagen, warum es so ein Netzwerk braucht und was das Ziel des Netzwerks ist?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Ja, gerne. Optical Genome Mapping ist ja eine relativ neue Technologie und es gibt noch relativ wenige Benutzer auf der ganzen Welt, die mit dieser Technologie arbeiten. Und was wir gemacht haben, ist, dass wir von Anfang an versucht haben, Kontakt zu halten zu diesen Benutzern, um uns gegenseitig auszutauschen. Denn wenn man mit neuen Technologien arbeitet, so gibt es immer wieder, naja, Kinderkrankheiten, wie wir das nennen. Das heißt Dinge, die noch nicht ganz optimal laufen, die man verbessern muss, aber auch Erfahrungen, die wir selber generieren müssen. Und dann hilft es ungemein, wenn man nicht alleine ist mit dieser neuen Technologie, sondern sich austauschen kann. Und so gibt es gerade in der Hämatoonkologie, also im Tumorbereich, mittlerweile relativ viele Laboratorien schon, die Optical Genome Mapping nutzen und auch alle in die Klinik bringen möchten. Und viele davon sind jetzt tatsächlich schon in der Klinik. Und wir haben einfach gesagt, wir wollen das standardisieren von Anfang an. Wir wollen nicht, dass jeder seinen eigenen Brei kocht und von vorne alleine rumprobieren muss, sondern wir machen das zusammen. Und wir haben daher ganz schnell dieses Konsortium gegründet und zusammen, ja, so eine Art Guidelines publiziert, auch für neue Laboratorien, die noch hinzukommen, dass nicht jeder das Rad neu erfinden muss, sondern dass wir einfach einander helfen, füreinander da sind, dass die Patienten auch eine qualitativ gleichwertige Diagnose bekommen in verschiedenen Laboratorien, egal wo sie auf der Welt hingehen.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Wahnsinnig wichtige Arbeit und ich glaube, ihr erspart künftig Menschen, die damit arbeiten wollen, auch sehr viel Zeit und Nerven, wenn ihr da eben schon Vorarbeit leistet und das alles so toll dokumentiert. Bevor wir zum Ende kommen, hätte ich noch eine Frage. Weißt du, wie es aussieht in Deutschland? Weil du sitzt ja in Nijmegen in den Niederlanden. Wird OGM in Deutschland auch schon eingesetzt?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Es gibt durchaus diverse Laboratorien in Deutschland, die Optical Genome Mapping auch schon einsetzen. Soweit ich weiß, teilweise auch schon in der Diagnostik. Ja, wir haben immer wieder Kontakt zu verschiedenen Laboratorien. Also ich weiß, dass in München und in Berlin wird es eingesetzt. Im Ruhrgebiet gibt es ein paar, in Bochum zum Beispiel. Da gibt es diverse Laboratorien.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Lass uns zum Schluss dieser Folge noch ein bisschen träumen. Was wünschst du dir für die Zukunft von Optical Genome Mapping und was glaubst du, wo geht es hin in den nächsten Jahren?
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Das ist keine einfache Frage.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Zum Schluss die fiese Frage.
Dr. Kornelia Neveling: Dr. Kornelia Neveling: Denn das Long-Reed Sequencing kommt ja immer mehr und wird immer besser. Und im Moment ist es so, dass Optical Genome Mapping noch viele strukturelle Varianten detektieren kann, die die Sequenzierung im Moment noch nicht detektieren kann. Das wird sich aber ändern, denke ich. Das heißt, ich vermute, dass man irgendwann für die Seltenen Erkrankungen möglicherweise Optical Genome Mapping gar nicht mehr braucht, sondern das über die Sequenzierung erledigt. Ich denke aber trotzdem, dass wir gerade für die Tumorerkrankungen Optical Genome Mapping weiter benutzen werden und für alles, was somatisch beziehungsweise Mosaik-Varianten angeht. Das heißt, ich denke wirklich, dass Optical Genome Mapping da eine Nische finden wird und hauptsächlich da angewandt wird. Die Maschinen, die wir im Moment haben, sind noch relativ klein. Wir können noch relativ wenige Proben gleichzeitig laufen lassen. Wenn man jetzt bedenkt, wie viel Tumorproben eigentlich analysiert werden müssten, können wir das im Moment noch gar nicht schaffen. Das heißt, wir müssten hier auf technologischer Ebene noch eine Weiterentwicklung haben, dass wir größere Maschinen bekommen, dass auch der Preis noch weiter runtergeht, sodass wir das in viel größerem Maßstab anwenden können, als wie wir das heute machen.
Johanna Stegmann: Johanna Stegmann: Kornelia, ich danke dir ganz herzlich für deine Zeit und die spannenden Einblicke. Ich habe wirklich viel gelernt und ihr hoffentlich auch, liebe Hörerinnen und Hörer. Und weil es noch so viel zu erzählen gibt, bleibt Kornelia sogar für eine zweite Folge bei uns. Da geht es dann um Long-Read-Sequencing. Das ist, wie eine Kollegin von mir mal sagte, gerade der große Hype in der Welt der Humangenetik. Also unbedingt im September wieder reinhören. Das war der Code des Lebens, produziert von GHGA, dem Deutschen Humangenom-Phänomarchiv. Schön, dass ihr dabei wart und ich freue mich, wenn ihr auch beim nächsten Mal wieder rein hört.